Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

44 Die Ministerverantwortlichkeit in Bayern. 
abschlusses dem Reichsrathe bekannt wird, in jener Reichrathssession, in welcher 
dieser Rechnungsabschluß zur Prüfung gelangt, nicht erhoben worden ist. 
Das Klagerecht erlischt durch Verjährung nach den Vorschriften des allge= 
meinen bürgerlichen Gesetzbuches. 
Die Verjährung wird durch die Verhandlungen über die Ministeranklage 
unterbrochen. Der Kaiser wird zu Gunsten eines schuldig befundenen Ministers 
das Recht der Begnadigung nur auf Grund eines hierauf gestellten Antrages des 
Hauses des Reichsrathes ausüben, von dem die Anklage ausgegangen ist. Die 
Dienstentsagung des Angeklagten vor Beendigung des Prozesses ist unstatthaft. 
Der Umstand, daß der Minister bereits früher zurückgetreten oder nicht mehr 
im Staatsdienste angestellt ist, steht der Anklage nicht entgegen. 
S. 51. 
Königreich Bayern. 
Das Königreich Bayern hat zwei Gesetze über die Verantwortlichkeit der 
Minister und das Verfahren bei Anklagen gegen dieselben aufzuweisen, das Gesetz 
vom 4. Juni 1848, die Verantwortlichkeit der Minister betreffend, und das Gesetz 
vom 30. März 1850, den Staatsgerichtshof und das Verfahren bei Anklagen 
gegen Minister betreffend. 
Wir theilen die hauptsächlichsten Bestimmungen dieser Gesetze in folgen- 
dem mit: 
A. Die Verantwortlicheit der Minister betreffend. 
Die Führung eines Ministeriums kann nur einem Staatsrathe im ordent- 
lichen Dienste übertragen werden. Niemand ist zur Uebernahme eines solchen 
verpflichtet. 
Die vorübergehende Leitung der Geschäfte eines Staatsministeriums durch 
einen vom Könige zu bestimmenden Staatsrath oder Vorstand eines anderen 
Ministeriums darf nur stattfinden: Z 
1. wenn der wirkliche Staatsminister an der Ausübung seines Amtes 
verhindert ist; 
2. in so lange die sofort einzuleitende Wiederbesetzung eines erledigten 
Staatsministeriums zu keinem Resultat geführt hat. Ein Staats- 
minister kann zu jeder Zeit um Enthebung von seiner Stelle bitten. 
Dieselbe darf ohne Rücksicht auf §. 24. IX. Verfassungs-Beilage nicht 
verweigert werden, wenn sie aus dem Grunde erbeten wurde, weil 
der König in wichtigen Regierungs-Angelegenheiten die Rathschläge 
seines Ministers nicht annehmen zu können glaubt. 
Dem auf diese Weise in Folge seiner Bitte, sowie dem aus eigenem Antriebe 
des Monarchen enthobenen Staatsminister verbleibt der Standesgehalt unge- 
schmälert. 
Der König hat seine Regierungs Anordnungen jedesmal von den Ministern
	        
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