Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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zumal auch das Konzert, in dem Frau Harriers, Fräulein Artoͤt und Herr 
Niemann sangen, sehr hübsch war.“ 
* 
Berlin, 26. Januar 1867. 
An Freiin Wanda v. Seebach. 
„Herr v. Savigny hatte gestern Vortrag bei Sr. Majestät, und auf heute 
nachmittag ist Sitzung anberaumt, die uns — wie er mir sagte — sehr schnell 
vorwärts bringen werde. Halte ich nun auch diese Aeußerung nicht für ein 
Evangelium, so könnte sie doch einmal zutreffen. 
„Wann ich werde abreisen können, vermag ich nach dem Stand der Ver— 
handlungen nicht zu bestimmen, doch wird ja wohl die heutige Sitzung darüber 
Aufklärung geben. Möglich, daß auch nur eine nochmalige Vertagung eintritt. 
Mag sein, man atmet dann doch einmal wieder andere Luft. 
„Wüßte man hier, wie sehr ich mich wegsehne, so würde man mich wohl 
der Undankbarkeit zeihen, denn ich muß anerkennen, daß alle Welt gesellschaftlich 
sehr artig gegen mich ist und namentlich der Hof mich mit Liebenswürdigkeiten 
überschüttet. In dieser Woche war ich am Montag zu einem kleinen Thee 
bei der Königin, Mittwoch zu einer glänzenden Soirée im königlichen Palais 
und gestern zum Diner bei den Kronprinzlichen Herrschaften — zu Ehren ihres 
Hochzeitstages — geladen. Dies alles kann mich aber nicht über das Gefühl. 
der Vereinsamung, noch weniger über den Mißmut, mit dem mich die Rücksichts- 
losigkeit, mit welcher uns gegenüber die Geschäfte betrieben werden, erfüllt, und 
am allerwenigsten über die trüben Gedanken hinwegbringen, zu denen mir meine 
Auffassung der jetzigen politischen Situation und die darauf sich gründende 
Ueberzeugung, daß das Werk, an dem ich leider mitarbeiten muß, sich doch 
unter allen Umständen für die kleinen Staaten zu einem unheilvollen gestalten,) 
und namentlich auch bei uns die unerfreulichsten Verwicklungen zur Folge 
haben und mir persönlich Aerger und Verdruß in Menge bereiten wird, aus- 
reichende Veranlassung gibt. 
„Schon scheint der Herzog, nach einem mir gestern zugegangenen Tele- 
gramm, ungnädig zu sein, daß ich die Wahl zum Reichstage abgelehnt habe, 
obwohl er, als ich ihn in Coburg darüber fragte, die Ablehnung selbst wünschte, 
und ich mir zu Weihnachten nur die Ermächtigung von ihm erbeten habe, mit 
meiner Erklärung vorläufig zurückhalten und meine definitive Entschließung von 
dem Gange der hiesigen Verhandlungen abhängig machen zu dürfen. Jeden- 
falls liegt aber in dem letzteren kein Grund, der mich zur Annahme der Wahl 
hätte bestimmen können, vielmehr möchte ich mich jetzt um keinen Preis der 
*) Erfreulicherweise hat Seebach hier und auch sonst in einigen Punkten zu schwarz 
gesehen. Ich glaube, keiner der kleinen Staaten würde heute die Zeit vor 1866 der 
jetzigen vorziehen.
	        
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