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Berlin, 31. Januar 1867.
An Freiin Wanda v. Seebach.
„Der Herzog hat die Wahlangelegenheit nicht wieder gegen mich erwähnt,
und wird sich daher, wie ich hoffe, wohl selbst überzeugt haben, daß er mir
wegen meiner Ablehnung mit Grund keinen Vorwurf machen kann. Ich denke
mir, daß ihm die Holtzendorffsche Kandidatur nicht ganz angenehm sein mag,
und er dadurch bestimmt worden ist, nochmals bei mir anzufragen.
„Die Verhandlungen sind nun bis auf die Militärfrage beendet. In dieser
scheinen sich aber neuerdings wieder Schwierigkeiten ergeben zu haben, und es
steht daher sehr in Frage, ob die uns gemachte Hoffnung, daß die Konferenz
in der ersten Woche des Februar werde geschlossen werden, in Erfüllung
gehen wird.
„Ich habe heute wieder einen schweren Tag: Diner beim Kronprinzen,
Konzert am Hofe, erkenne aber die Liebenswürdigkeit dankbarst an.“
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Berlin, 3. Februar 1867.
An Freiin Wanda v. Seebach.
„Länger als bis zum 6. kann ich nicht warten“ diese heilverkündenden
Worte hat Graf Bismarck vorgestern dem Kronprinzen in Beziehung auf den
Schluß der Konferenz ausgesprochen. An uns hat es freilich nie gelegen,
wenn die Verhandlungen nicht rascher vorwärts gegangen sind, und so wird
auch jetzt von unserer Seite sicher alles geschehen, um den Wunsch des Herrn
Grafen zu erfüllen. Wie es aber bei der Kürze der gestellten Frist und der
Wichtigkeit der noch zurückstehenden Beratungsgegenstände möglich sein soll,
vermag ich allerdings nicht abzusehen, wenigstens dann nicht, wenn die Sache
uns gegenüber mit einigem Anstand zu Ende gebracht werden soll. Was mich
betrifft, so werde ich, um schneller zum Ziel zu kommen, mit etwas weniger
Anstand gern fürlieb nehmen, und glaube mich nach der obigen Aeußerung
jedenfalls der sicheren Hoffnung hingeben zu dürfen, daß mich die nächste
Woche nicht mehr hier finden wird.
„Lebt Ihr in Saus und Braus, so ist dies bei mir nicht weniger der
Fall: Donnerstag Konzert am Hofe, vorgestern Subskriptionsball im Opernhause,
gestern große Cour in den Paradesälen des Schlosses. Hoffentlich habt Ihr
aber mehr Genuß davon als ich. Den Sunubskriptionsball hätte ich mir wohl
geschenkt, wenn ich es nicht wegen des Hofes für Pflicht gehalten hätte, hin
zu gehen. Für meine Aufmerksamkeit wurde ich denn auch — zufällig stand
ich bei dem zweiten Umgang der höchsten Herrschaften in erster Linie — durch
einen freundlichen Händedruck Seiner Majestät ausgezeichnet, um den mich die
Umstehenden wohl alle beneidet haben mögen. Uebrigens ist der Anblick des
hell erleuchteten und in allen seinen Teilen höchst geschmackvoll dekorirten Hauses