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Berlin, 7. April 1867.
An Freiin Wanda v. Seebach.
„Meine Rückkehr nach Gotha wird sich wahrscheinlich bis zum Schluß der
Karwoche verzögern. Bis Mittwoch soll die erste Lesung des Verfassungs=
entwurfs beendigt werden. Dann Beratung der Regierungsbevollmächtigten,
um über die Annahme oder Nichtannahme der von dem Reichstag angenommenen
Abänderungsvorschläge Beschluß zu fassen — auf Mittwoch abend 8 Uhr ist
dazu bereits Sitzung anberaumt. Die gefaßten Beschlüsse werden dem Reichs-
tag mitgeteilt, der Montag den 15. in die Schlußberatung eintritt. Diese
hofft man durch einen Antrag auf en bloc-Annahme zu koupiren und dadurch
schnell, vielleicht schon in zwei, höchstens drei Sitzungen zur endlichen Ent-
scheidung zu gelangen, so daß der Schluß des Reichstags am Gründonnerstag
erfolgen könnte. Ob es möglich sein wird, das Programm einzuhalten, und
namentlich mit dem Antrag auf en bloc-Annahme durchzudringen, steht freilich
dahin. Ebenso läßt sich in diesem Augenblick noch keineswegs mit Sicherheit
voraussehen, wie die endliche Entscheidung ausfallen wird. Meiner Ansicht
nach hängt sie hauptsächlich, vielleicht einzig und allein davon ab, ob die
hiesige Regierung in Beziehung auf die Militärbudgetfrage zu einer Konzession
geneigt ist. Ist dies nicht der Fall, so glaube ich, daß die nationalliberale
Partei — die dann die Linken, die Partikularisten und Pessimisten zu Genossen
haben und mit diesen die überwiegende Mehrheit des Hauses bilden würde —
so sehr sie auch das Zustandekommen der Verfassung wünscht, doch schließlich gegen
die Annahme derselben stimmen und somit das ganze Werk zum Scheitern
bringen wird. Was dann? Darüber weiß ich nur, daß es nichts Erfreuliches,
nichts Gutes sein kann. Die Beratungen der Regierungsbevollmächtigten werden
voraussichtlich nur eine kurze Zeit in Anspruch nehmen, und hoffe ich, in
diesem Falle von dem Herzog die bereits erbetene Erlaubnis zu erhalten, die
dann eintretende kurze Pause zu einem Ausflug nach Dresden benutzen zu dürfen."
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Auch hier entwickelte sich das Verhältnis günstiger, als Seebach zu hoffen
wagte: am 16. April nahm der Reichstag und an demselben Abende die ver-
bündeten Regierungen den Verfassungsentwurf an, so daß der konstituirende
Reichstag bereits am folgenden Tage geschlossen werden konnte.
Während der vier Sessionen des Bundesrats beteiligte sich Seebach fleißig
an den Arbeiten desselben, wie dies aus der folgenden Korrespondenz desselben
mit seiner Tochter erhellt, die stellenweise auch die heimatlichen Verhältnisse des
Ministers streift.
Berlin, 20. März 1868.
An Freiin Wanda v. Seebach.
„Dem Herzog hatte ich mitgeteilt, daß sich der Großherzog von Weimar
und die Herzöge von Altenburg und Meiningen zum Geburtstage des Königs