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einer einzelnen Bundesregierung gegenüber übernehmen könne, die sie verhindern
werde, den älteren Bundespflichten zu genügen.
„Hierauf erfolgte von Preußen keine Erwiderung.
„Am 9. Juni 1866 beschloß die Bundesversammlung einstimmig, also unter
Preußens Teilnahme, die Bundesfestungen zu besetzen. Wir erhielten die
Anweisung, fünfhundert Mann bereit zu machen und sofort nach Mainz zu
entsenden. Die erforderlichen Ordres wurden von mir sofort erteilt. Das
Bataillon war am 16. Juni marschfertig und rückte am folgenden Tage nach
Oberweißbach und Eisfeld aus. Inzwischen teilte Preußen den einzelnen Bundes-
regierungen unterm 20. Juni die Grundsätze einer neuen Bundesverfassung mit,
durch die Oesterreich und Luxemburg von dem neuen Bunde ausgeschlossen
werden sollten. Ich erhielt diese Vorlage durch den preußischen Gesandten am
13. Juni zur Rückäußerung. Letztere erfolgte aber erst am 21. Juni, als die ent-
scheidenden Thatsachen sich vollzogen hatten und der alte Bund nicht mehr
existirte, dahin, daß wir bereit seien, nach den gegebenen Grundsätzen über die
Errichtung eines neuen Bundes zu verhandeln.
„Am 14. Juni beschloß der Bund durch Stimmenmehrheit gegen Preußen
die Mobilmachung des Bundesheeres. Wir gehörten zu den Widersprechenden.
Preußen betrachtete die Maßregel als gegen sich gerichtet, bezeichnete sie als
Bundesbruch, erklärte den Bund für aufgelöst, und der Gesandte v. Savigny
verließ die Sitzung. Die Mitteilung hiervon ging uns am 17. Juni zu. Es
entstand nunmehr die Frage, wie die anderen Bundesregierungen sich hierzu zu
stellen haben würden, und darüber fand am 20. Juni eine weitere Minister-
konferenz in Weimar statt. Hier war die Majorität, die aus den Ministern
v. Watzdorf, v. Harbou und mir bestand, der Meinung, daß der Bund durch
die preußische Austrittserklärung rechtlich noch nicht aufgelöst sei, daß derselbe
vielmehr noch fortbestehe, und daß die einzelnen Bundesmitglieder nach wie vor
ihre Bundespflicht zu erfüllen hätten, daß die Sache aber zur Existenzfrage für
die einzelnen Staaten sich zuspitze, und daß die Endentschließungen über die
einzunehmende Haltung deshalb von den regierenden Herren selbst zu fassen
seien. Am folgenden Tage, den 21. Juni, trug ich die Sache dem Fürsten
im Beisein der Prinzen Albert und Adolf und meiner Kollegen v. Ketelholdt
und v. Bamberg vor. Die Ereignisse waren schon weiter geschritten. Es war
der Krieg gegen Sachsen und Hessen ausgebrochen. Bundesfürsten standen gegen
Bundesfürsten im Felde; nun war der Bund außer allem Zweifel zerrissen und
deshalb wurde beschlossen:
1) das Kontingent zurückzuberufen;
2) den Gesandten in Frankfurt anzuweisen, sich der Teilnahme an den
Sitzungen zu enthalten;
3) den Bündnisvorschlag von Preußen zu acceptiren und unser Kontingent
zur Verfügung zu stellen.