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Während jener langen Reihe von Jahren hat er im Plenum des Bundes-
rats und als Mitglied des Ausschusses für Handel und Verkehr die kommer—
ziellen Interessen Hamburgs stets mit Würde und Energie vertreten. Charakte-
ristisch für ihn waren in dieser Beziehung die Worte, welche er 1871 in ein
Autographenalbum des Germanischen Museums schrieb: „Es war von jeher
der Beruf der Hansestädte, den Namen Deutschlands über das Weltmeer zu
tragen. Wir werden dem neuen Reich die alte Pflicht erfüllen, wenn man uns
frei gewähren läßt.“ Auch an den großen gesetzgeberischen Arbeiten, welche in
den sechziger und siebenziger Jahren dem Bundesrat zufielen, nahm er mit
Interesse teil. „Es war mir vergönnt, — so schrieb nach Kirchenpauers Tode
der Staatsminister Delbrück — in einer ereignisreichen Zeit zusammen mit
dem Verewigten an der Neugestaltung Deutschlands arbeiten zu können, und
ich werde niemals vergessen, mit welcher patriotischen Hingebung er durch die
reichen Schätze seines Wissens und seiner Erfahrung diese Arbeit gefördert und
zu deren glücklichem Erfolge beigetragen hat.“
Die bitteren Tage nahten für Kirchenpauer, der sein Leben lang die Fahne
des Freihandels verteidigt hatte, als Bismarck und mit ihm die Majorität des
Bundesrats in das Lager des Schutzzolls übergingen. Kam er schon hier in
einen Gegensatz zu Bismarck, so trat dies noch viel markanter bei dem Kampfe
des Kanzlers um den Zollanschluß Hamburgs hervor.
Daßf Kirchenpauer nicht der Mann war, die Verhältnisse in die neuen
Bahnen zu leiten, fühlte er selbst. Er erklärte, daß er nicht mithelfen könne,
das zu zerstören, was er selbst mit aufgerichtet, und legte, nachdem er noch
eine historisch-staatsrechtliche Denkschrift über die „Freiheit der Elbeschiffahrt““)
veröffentlicht, die Aemter eines Bevollmächtigten zum Bundesrat und eines
Präses der Deputation für Handel und Schiffahrt nieder.
Kirchenpauer hatte damals das siebenzigste Lebensjahr bereits überschritten.
Es war eben wiederum eine neue Zeit gekommen, in der Männer einer jüngeren
Generation trotz des noch so schwerwiegenden Einspruches der älteren energisch
einzugreifen und Neues zu schaffen berufen waren.
Bismarck hat Kirchenpauer in Hamburg nicht besucht, ist aber auch, soweit
mir bekannt ist, seitdem er Reichskanzler geworden war, zum erstenmal nach
dem Tode Kirchenpauers nach Hamburg gekommen. Früher hatte er ihm seinen
Besuch einmal in Aussicht gestellt, wenn ihm Kirchenpauer ein vollständiges
Inkognito versprechen wolle. Da Kirchenpauer aber die gewünschte Zusage nicht
geben konnte, so blieb die Absicht unausgeführt.
Anläßlich des Ablebens Kirchenpauers hat Bismarck dem Hamburger Senat
ein Beileidschreiben übersandt, in welchem derselbe in anerkennenden Worten
*) Die Freiheit der Elbeschiffahrt. Geschichtliche Erläuterungen der staatsrechtlichen
Sachlage. Hamburg 1880 (ohne Namen des Verfassers erschienen).