Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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wichtigen Angelegenheit ohne jede vorherige Verständigung mit der Bundes- 
regierung an und für sich lebhafte Bedenken hervorrufen mußte, so nahmen die 
Vertreter derselben doch von vornherein eine durchaus unbefangene, sachliche 
Stellung zu dem neuen Entwurfe. Der Präsident des Bundeskanzler-Amts 
Delbrück erkannte an, daß die Erledigung der betreffenden Fragen im Zu- 
sammenhange mit dem Gesetze über die Freizügigkeit eine gewisse Dringlichkeit 
habe, daß auch die gemachten Vorschläge im großen und ganzen mit denjenigen 
übereinstimmten, welche der Bundesrat selbst in dem umfassenderen Gesetze auf- 
gestellt habe; wenn es aber auch wünschenswert sei, die Sache bald zum Aus- 
trage zu bringen, so lasse sich doch ohne allseitige Erwägung noch nicht über- 
sehen, ob nicht in einem so kurzen Gesetze, wie es jetzt vorgeschlagen sei, vieles 
übersehen werde, was der Regelung im öffentlichen Interesse bedürfe, und ob 
dadurch nicht bedenkliche Lücken in den Gesetzen entständen. Der Bundesrat 
könne deshalb nicht im voraus seine Zustimmung zu dem Gesetze erklären, müsse 
sich vielmehr eine eingehende Erwägung noch vorbehalten. Nur in Betreff eines 
Punktes (der unbedingten Aufhebung aller Zwangs= und Bannrechte) erklärte 
der Vertreter der Bundesregierung von vornherein, daß durch die Annahme 
desselben die Zustimmung des Bundesrats zu dem Gesetze zu einer Unmöglichkeit 
gemacht würde. Dieser Punkt wurde demzufolge von den Antragstellern selbst 
zurückgenommen, der Gesetzesvorschlag im übrigen aber vom Reichstag mit er- 
heblicher Mehrheit angenommen. 
Obwohl die „Kreuzzeitung“ gegen das Notgewerbegesetz auf das heftigste 
polemisirte.) gab der Bundesrat am 2. Juli mit allen gegen zwei Stimmen 
(nicht eine, wie die „Vossische Zeitung“ sagte) doch dazu seine Zustimmung. 
(Gesetz, betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe, vom 8. Juli 1868, 
B.-G.-Bl. S. 406 ff.) 
Versicherungswesen. Von Sachsen-Coburg war der Antrag aus- 
gegangen, der Bundesrat wolle die baldige Ausarbeitung eines, das gesamte 
Versicherungswesen umfassenden Bundesgesetzes beschließen. Der 
Bericht des Bundesratsausschusses für die Gewerbeordnung, welchem der vor- 
stehende Antrag überwiesen worden war, glaubte, denselben dem Bundesrat 
empfehlen zu sollen, und richtete demgemäß an den Bundeskanzler das Er- 
suchen, etwa nach Einziehung nötiger Auskunft über die in den einzelnen 
Staaten des Norddeutschen Bundes in Betreff des Versicherungswesens geltenden 
Bestimmungen, den Entwurf eines Bundesgesetzes über das Versicherungswesen 
ausarbeiten lassen und dem Bundesrat zur Beschlußnahme vorlegen zu wollen.) 
*) Vergleiche die „National-Zeitung“ Nr. 295 vom 27. Juni 1868 und 305 vom 
3. Juli 1868. 
**) Schon früher — so hieß es in der Motivirung des Ausschußantrages — sei ein 
dringendes Verlangen nach gleichförmiger Regelung des Versicherungswesens durch ein ge- 
meinsames Gesetz für ganz Deutschland wiederholt laut geworden; so in den Jahren 1861 
  
 
	        
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