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wichtigen Angelegenheit ohne jede vorherige Verständigung mit der Bundes-
regierung an und für sich lebhafte Bedenken hervorrufen mußte, so nahmen die
Vertreter derselben doch von vornherein eine durchaus unbefangene, sachliche
Stellung zu dem neuen Entwurfe. Der Präsident des Bundeskanzler-Amts
Delbrück erkannte an, daß die Erledigung der betreffenden Fragen im Zu-
sammenhange mit dem Gesetze über die Freizügigkeit eine gewisse Dringlichkeit
habe, daß auch die gemachten Vorschläge im großen und ganzen mit denjenigen
übereinstimmten, welche der Bundesrat selbst in dem umfassenderen Gesetze auf-
gestellt habe; wenn es aber auch wünschenswert sei, die Sache bald zum Aus-
trage zu bringen, so lasse sich doch ohne allseitige Erwägung noch nicht über-
sehen, ob nicht in einem so kurzen Gesetze, wie es jetzt vorgeschlagen sei, vieles
übersehen werde, was der Regelung im öffentlichen Interesse bedürfe, und ob
dadurch nicht bedenkliche Lücken in den Gesetzen entständen. Der Bundesrat
könne deshalb nicht im voraus seine Zustimmung zu dem Gesetze erklären, müsse
sich vielmehr eine eingehende Erwägung noch vorbehalten. Nur in Betreff eines
Punktes (der unbedingten Aufhebung aller Zwangs= und Bannrechte) erklärte
der Vertreter der Bundesregierung von vornherein, daß durch die Annahme
desselben die Zustimmung des Bundesrats zu dem Gesetze zu einer Unmöglichkeit
gemacht würde. Dieser Punkt wurde demzufolge von den Antragstellern selbst
zurückgenommen, der Gesetzesvorschlag im übrigen aber vom Reichstag mit er-
heblicher Mehrheit angenommen.
Obwohl die „Kreuzzeitung“ gegen das Notgewerbegesetz auf das heftigste
polemisirte.) gab der Bundesrat am 2. Juli mit allen gegen zwei Stimmen
(nicht eine, wie die „Vossische Zeitung“ sagte) doch dazu seine Zustimmung.
(Gesetz, betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe, vom 8. Juli 1868,
B.-G.-Bl. S. 406 ff.)
Versicherungswesen. Von Sachsen-Coburg war der Antrag aus-
gegangen, der Bundesrat wolle die baldige Ausarbeitung eines, das gesamte
Versicherungswesen umfassenden Bundesgesetzes beschließen. Der
Bericht des Bundesratsausschusses für die Gewerbeordnung, welchem der vor-
stehende Antrag überwiesen worden war, glaubte, denselben dem Bundesrat
empfehlen zu sollen, und richtete demgemäß an den Bundeskanzler das Er-
suchen, etwa nach Einziehung nötiger Auskunft über die in den einzelnen
Staaten des Norddeutschen Bundes in Betreff des Versicherungswesens geltenden
Bestimmungen, den Entwurf eines Bundesgesetzes über das Versicherungswesen
ausarbeiten lassen und dem Bundesrat zur Beschlußnahme vorlegen zu wollen.)
*) Vergleiche die „National-Zeitung“ Nr. 295 vom 27. Juni 1868 und 305 vom
3. Juli 1868.
**) Schon früher — so hieß es in der Motivirung des Ausschußantrages — sei ein
dringendes Verlangen nach gleichförmiger Regelung des Versicherungswesens durch ein ge-
meinsames Gesetz für ganz Deutschland wiederholt laut geworden; so in den Jahren 1861