Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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in seiner Sitzung vom 18. April 1868 beschlossen: „den Bundeskanzler auf- 
zufordern, Entwürfe eines gemeinsamen Strafrechts und eines gemeinsamen 
Strafprozesses, sowie die dadurch bedingten Vorschriften der Gerichtsorganisation 
baldthunlichst vorbereiten und dem Reichstage vorlegen zu lassen." 
Dieser Beschluß fand im Ausschusse des Bundesrats für Justizwesen, 
welchem derselbe zur Begutachtung überwiesen war, unbedingte Zustimmung und 
Befürwortung. Man ging von der Auffassung aus, daß der Artikel 4 der Bundes- 
verfassung, indem derselbe das materielle und formelle Strafrecht unter die Gegen- 
stände der einheitlichen Bundesgesetzgebung aufnahm, nicht bloß eine fakultative 
Kompetenz hinstellen, sondern es als eine wesentliche Aufgabe des Bundes bezeichnen 
wollte, durch eine gemeinsame Gesetzgebung auf dem Gebiete des Strafrechtes 
die Uebelstände zu beseitigen, welche aus der Verschiedenheit der in den einzelnen 
Staaten geltenden Strafgesetzbücher und Strafprozeßordnungen entsprangen. 
In Betreff der vorbereitenden Schritte empfahl der Ausschuß den Weg kom- 
missarischer Beratung, welcher für die Zivilprozeßordnung eingeschlagen worden. 
Doch fehlte es nach der Ansicht des Ausschusses für die Gesetzgebung auf dem 
bezeichneten Gebiete an Entwürfen, welche einer kommissarischen Prüfung mit 
Erfolg zu Grunde gelegt werden könnten. Es würde daher zunächst auf die 
Ausarbeitung der erforderlichen Entwürfe Bedacht zu nehmen sein. Mit Rück- 
sicht hierauf schlug der Iustizausschuß dem Bundesrat vor, den Bundeskanzler 
zu ersuchen: „den Entwurf a) eines gemeinsamen Strafgesetzbuchs und b) einer 
gemeinsamen Strofprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes, 
und zwar zunächst den Entwurf einer gemeinsamen Strafprozeßordnung aus- 
arbeiten zu lassen und dem Bundesrat zur weiteren Beschlußnahme vorzulegen." 
Der Bundesrat erhob diesen Antrag in der Plenarsitzung vom 5. Juni 1868 
zum Beschlusse. 
Beim Wiederbeginne der Session wurde dem Bundesrat eine Denkschrift 
mitgeteilt, in welcher der mit Ausarbeitung eines gemeinsamen Strafgesetzbuches 
für die Norddeutschen Bundesstaaten beauftragte preußische Justizminister über 
die Lage und Richtung der bezüglichen Vorarbeiten Auskunft gab. Die Vorlage 
des fertiggestellten Entwurfs zog sich bis in die Session 1870 hinaus. 
Auslieferungsvertrag mit Belgien. Zwischen den einzelnen Staaten 
des Norddeutschen Bundes und dem Königreich Belgien war die gegenseitige 
Auslieferung flüchtiger Verbrecher durch Staatsverträge geregelt, denen ein 
belgisches Gesetz vom 1. Oktober 1833 zu Grunde lag. Dieses Gesetz ge- 
stattete die Auslieferung nur in einer sehr beschränkten Anzahl von Fällen. 
Am 5. April 1868 erschien indessen in Belgien ein neues Gesetz über die 
Auslieferungen, welches die engen Grenzen der bisherigen Legislative verlassen 
hatte und die vertragsmäßige Regulirung der gegenseitigen Auslieferung für 
33 Verbrechensfälle gestattete, sowie die Voraussetzungen und Formen erleichterte,
	        
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