Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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vergeblich erstrebt worden, bemerkte er, solle von neuem versucht werden; die 
Ereignisse und Erfolge hätten Ihn weit über Seinen Willen fortgerissen, er 
hoffe aber das Beste für Deutschland, wenn Seine Bundesgenossen ihm zu- 
stimmten; freilich werde es ihnen einige Opfer kosten. Dies der kurze Sinn 
seiner längeren freien Rede. Dann ging er uns im einzelnen durch. Hierauf 
zog er sich zurück und Bismarck führte uns den prachtvollen Treppenbau hin- 
auf in einen Saal, in dem sich viele Hofbeamte befanden und in den bald 
die Königin hereinrauschte. Sie ließ sich uns ebenfalls einzeln vorstellen und 
war in der Rede ungemein gewandt und sehr gesprächig. Auffallend hingegen 
war die Schweigsamkeit der Kronprinzessin und des Kronprinzen (andere Prinzen 
waren nicht da). Wie mir auf Befragen gesagt wurde, sei das so deren Sitte 
aus Deferenz und Devotion gegen die Eltern. 
„Die Pracht der Tafel war groß, die Waseserflaschen standen auf hohen 
silbernen Untersätzen, nicht aber gab es für jeden eine Karaffe Tischwein,) 
auch goß sich niemand selbst ein; dies verrichtete stets ein Lakai. Alle Gläser 
ohne Ausnahme geschliffen; lauter silberne Teller. Die Speisen ungemein 
schmackhaft, viele davon kann ich nicht nennen. 
„Beim Kaffee waren die Majestäten über die Maßen gnädig. Der König 
sprach lange zu mir und Herrn v. Lauer?.) über Politica, nachdem er zuvor 
an einem heitern Gespräch teilgenommen, welches durch den Umstand hervor- 
gerufen war, daß sich Lauer und v. L. hier trafen, von denen ersterer dereinst 
den letzteren im Examen hatte durchfallen lassen (Lauer war Mitglied der 
preußischen Examinationskommission). Der König ging so offen heraus, daß 
ich wirklich frappirt war. So zum Beispiel sagte er: Wenn der König von 
Hannover mit Sicherheit hoffe, daß in zwei Jahren alles in den vorigen 
Stand gesetzt sein werde, so solle er doch das abwarten und nicht die Gewissen 
seiner Unterthanen beschweren. Ferner sagte er, er habe so lange mit dem Ent- 
schluß wegen des Krieges gerungen, noch beim Abschied zur Königin auf deren 
Frage, wann sie sich wiedersehen würden, erwidert: Vielleicht zu Weihnachten 
— daß er durch den Erfolg nach drei Tagen seinen Kleinmut als von der 
Vorsehung in einer Weise beschämt erkannt habe, daß er von deren Walten 
augenscheinlich überzeugt worden sei. Er sprach hier so ganz als einfacher 
Mensch, daß ich mich nicht enthalten konnte zu bemerken, ihm müsse das doch 
eine außerordentliche Beruhigung sein. 
„So ging das fort, und Lauer, der vielleicht ein Glas zuviel getrunken, 
ließ den König gar nicht aus dem Gespräch los. Ich war daher froh, daß 
die Königin mich von rechts her in die Unterhaltung zog, so daß ich aus dem 
königlichen Gespräch loskam und mit Ihrer Mazjestät auf das transatlantische 
*) Am Dessauer Hofe war es Sitte, daß jeder Gast eine Karaffe Tischwein vor 
sich hatte. 
*) v. Lauer-Münchhofen, Präsident der schaumburg-lippischen Landesregierung.
	        
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