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machen. Die Rostocker Deputirten erkannten das behauptete Kassationsrecht über-
haupt nicht an und verlangten, daß entweder das landesherrliche Kassations-
reskript zurückgenommen oder ihnen der Rechtsweg zur Erwirkung der Zurück-
nahme eröffnet werde. Da beides wiederum von dem Justizminister abgelehnt
wurde, so stand eine neue Beschwerde des Rats der Stadt Rostock wegen ge-
hemmter Rechtspflege bei dem Bundesrat in Aussicht.
Dem Advokaten Kindler zu Schönberg wurde auf seinen Vortrag an den
Bundesrat wegen Einführung einer Verfassung in dem Fürstentum
Ratzeburg der nachstehende Bescheid) erteilt:
„Berlin, 5. Mai 1868. Auf Cure pp. Vorstellung vom 27. Mai d. J.,
in welcher Sie den Antrag stellen, der Bundesrat wolle die großherzogliche
Landesregierung zu Neustrelitz in geeigneter Weise veranlassen, dem Fürstentum
Ratzeburg eine Volksvertretung und eine den Verhältnissen angemessene Ver-
fassung zu gewähren, hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 29. v. Mts.
beschlossen, daß nach der von dem Bevollmächtigten der großherzoglich mecklen-
burgischen Regierung abgegebenen Erklärung, dieselbe sei nach wie vor bereit,
eine Landesvertretung in dem Fürstentum Ratzeburg einzuführen, zu welchem
Ende bereits die nötigen Einladungen getroffen seien, welche jedoch bei der Kürze
der Zeit und bei der Wichtigkeit des Gegenstandes noch nicht haben zum Ab-
schluß gebracht werden können, kein Grund vorliege, auf die Petition näher
einzugehen.
Das Bundeskanzler-Amt.
Delbrück.
Wenn man heutzutage zusammenzählen sollte, was das Reich seit seiner
Entstehung für die Künste und Wissenschaften geleistet hat, so würde die Summe
eine verhältnismäßig niedere sein; dies hängt damit zusammen, daß die dem
Reiche zugewiesenen Aufgaben seine Kräfte vollständig in Anspruch nahmen;
die Pflege der Künste und Wissenschaften war und blieb Sache der einzelnen
Bundesregierungen, und das Reich trat nur ausnahmsweise ein, wo es sich
um Institutionen handelte, die sozusagen ganz Deutschland angehörten und die
finanziellen Kräfte der Einzelstaaten überschritten. Dahin gehört in erster Linie
das Germanische Museum in Nürnberg, dessen Antrag auf Bewilligung
einer Unterstützung Bismarck im März 1868 dem Bundesrat unterbreitete.
In der Sitzung vom 3. Juli 1868 beschloß der Bundesrat, die preußische
Regierung zu ersuchen, durch geeignete Sachverständige eine Ermittlung über
den Wert der Leistungen und Bestrebungen des Germanischen Museums
zu veranstalten und das Ergebnis demnächst dem Bundesrat mitzuteilen.
Infolge dessen wurden zunächst die Beiträge zusammengestellt, welche von
*) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.