Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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geradezu geleugnet; die für diese Angemessenheit geltend gemachten Gründe 
behielten jedoch das Uebergewicht, selbst auf die Gefahr hin, daß mit der Ver— 
kündung dieses Grundrechts eine Bahn betreten werde, die bei der Beratung der 
Bundesverfassung von den verbündeten Regierungen bekämpft und absichtlich 
gemieden worden war. 
Im Plenum des Bundesrats gaben nur die beiden mecklenburgischen Re- 
gierungen ihre Stimmen gegen den Entwurf ab; zur Motivirung des Votums 
erklärten die mecklenburgischen Bevollmächtigten: „Durch die mecklenburgische 
Gesetzgebung sind den Juden alle der Bundesverfassung und dem Freizügigkeits- 
gesetze entsprechenden Rechte gewährt und lediglich diejenigen publizistischen Rechte 
ausgenommen, welche geschäftlich und rechtlich durch das Bekenntnis der christ- 
lichen Religion bedingt sind und auf deren Bewahrung die christliche Bevölkerung 
einen wohlbegründeten Anspruch hat. Diese Rechte sind an und für sich nicht 
notwendig in den Rechten des Grundeigentums oder in einem Gewerbebetriebe 
enthalten, in Mecklenburg aber Teil der auf dem Boden des Christentums und 
der Geschichte erwachsenen Institutionen und mit einer gewissen Art des Grund- 
eigentums und mit den städtischen obrigkeitlichen Aemtern verbunden. Da nun 
die mecklenburgischen Regierungen die in den ersten Abstimmungen des Reichs- 
tags und bei Feststellung der Verfassung zur Anerkennung gelangten, auch im 
Berichte des Ausschusses angedeuteten Bedenken gegen Einführung solcher grund- 
rechtlichen Bestimmungen teilen, überdies Art. 4 Nr. 1 der Verfassung dem 
Bunde zwar die Bestimmung zuweist, an welche Bedingungen der Erwerb des 
Staatsbürgerrechts geknüpft werden dürfe, nicht aber wie in den einzelnen 
Landes= und Gemeindeverfassungen die Fähigkeit zur Teilnahme an der Landes- 
oder der Gemeindevertretung und zur Bekleidung öffentlicher Aemter festzustellen 
sei, so ist der Bevollmächtigte nicht in der Lage, die Kompetenz des Bundes 
zur Regelung der in Frage stehenden bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte 
anzuerkennen.“ 
Gesetz, betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher 
und staatsbürgerlicher Beziehung. Vom 3. Juli 1869 (B.-G.-Bl. S. 292.).5) 
Niederlassungsvertrag mit der Schweiz. Die in der Schweiz 
sich aufhaltenden Angehörigen des Norddeutschen Bundes unterlagen daselbst 
Staats= und Gemeindeämtern ausgeschlossen, mit welchen die Ausübung einer richterlichen, 
polizeilichen oder exekutiven Gewalt verbunden ist. In Reuß älterer Linie hatten nur die 
Christen Recht auf Anstellung und freie Religionsübung. In Sachsen-Altenburg wurden 
nur Christen in den Gemeindeverband ausgenommen. In Schwarzburg-Sondershausen 
dursten nur Christen in die Gemeindebehörde gewählt werden. 
*) Eine von dem Kaufmann Rieß in Gnoien (Mecklenburg-Schwerin) an den Bundesrat 
gerichtete Beschwerde wegen eines von der dortigen jüdischen Synagogengemeinde ihm 
abverlangten Einzugsgeldes wurde abgelehnt, weil das Gesetz über die Freizügigkeit vom 
1. November 1867 auf das Verhältnis religiöser Gemeinden zu ihren Angehörigen keine 
Anwendung finde.
	        
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