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noch mannigfachen Beschränkungen in Bezug auf die örtliche Niederlassung und
den Gewerbebetrieb. Diese Beschränkungen beruhten namentlich auf der Befugnis
der einzelnen Gemeinden, von anziehenden Fremden Kautionen von beträcht-
licher Höhe zu verlangen, von deren Bestellung nur die Angehörigen derjenigen
Staaten ausgenommen waren, welche mit der Schweiz besondere Niederlassungs-
verträge abgeschlossen hatten. Es waren dies Württemberg und Baden. Nach-
dem in Erfahrung gebracht worden war, daß die Schweiz nicht abgeneigt sei,
auch mit dem Norddeutschen Bunde einen solchen Vertrag abzuschließen, beantragte
der Bundeskanzler beim Bundesrat, letzterer wolle sich mit der Eröffnung von
Unterhandlungen einverstanden erklären. Es sollten dabei die zwischen der
Schweiz und Baden sowie Württemberg bestehenden Verträge zu Grunde gelegt
werden, jedoch einige namentlich durch militärische Rücksichten gebotene Vor-
behalte ihren Ausdruck finden. Der Vertrag gelangte erst am 27. April 1876
zur Perfektion (R.-G.-Bl. 1877 S. 3.).
Gewerbeordnung. Im Februar 1869 legte Bismarck dem Bundesrat
den Entwurf der Gewerbeordnung vor. In dem Ausschuß des Bundesrats
für die Gewerbeordnung war eine Verständigung über die Präjudizialfrage nicht
zu erreichen, welche dahin gerichtet war, ob es überhaupt an der Zeit sei, eine
das ganze Gebiet der Gewerbegesetzgebung umfassende Gewerbeordnung für den
Bund vorzulegen, oder ob nicht durch die Emanation des sogenannten Not-
gewerbegesetzes eine solche Gewerbeordnung weniger dringend geworden, so daß
man sich darauf beschränken könnte, einzelne Partien der Gewerbegesetzgebung
durch Spezialgesetze zu ordnen. Da über diese Fragen die Stimmen im Aus-
schusse geteilt waren, so beschloß derselbe, die Entscheidung darüber dem Plenum
des Bundesrats anheim zu geben. Bei der Detailberatung des Gesetzentwurfs
hatte der Ausschuß nur wenig Veranlassung zu Abänderungsanträgen des vor-
gelegten Entwurfs gefunden. Als Referent fungirte wie im vorigen Jahre der
königlich sächsische Geheimrat Weinlig, der auch als Bundeskommissar den Kom-
missionsberatungen des Reichstags beiwohnte.
Der Majorität des Bundesrats, welche sich dem Entwurfe günstig zeigte,
trat eine in sich gespaltene Minorität gegenüber: auf der einen Seite Sachsen und
Hessen, auf der andern Mecklenburg; auf der einen Seite also diejenigen, welche
dem Erlasse einer Gewerbeordnung aus freiheitlichen Motiven widerstrebten, auf der
andern die Staaten, welche von der Gewerbeordnung einen allzu tiefen Eingriff in
ihre zurückgebliebenen Verhältnisse befürchteten. Sachsen würde es vorgezogen
haben, die allerdings noch erforderliche Regelung einzelner auf die gewerblichen Ver-
hältnisse bezüglichen Materien durch Bundesspezialgesetze statt durch Erlaß einer
allgemeinen Gewerbeordnung bewirkt zu sehen. Dagegen gingen die beiden
mecklenburgischen Regierungen davon aus, daß die weitere Ausführung des
Gesetzes vom 8. Juli 1868 nicht Aufgabe der Bundesgesetzgebung sei, sondern