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der Partikulargesetzgebung vorbehalten bleiben müsse. Es sei nicht zu erkennen,
weshalb binnen der kurzen Zeit, welche seit Emanirung des Notgewerbegesetzes
und der Vorlage des vorjährigen Entwurfs verstrichen, die damals nicht für
notwendig erachtete Aufhebung der Zwangs- und Bannrechte jetzt notwendig
geworden sei. Solche allgemeine Bestimmungen (ck. §§ 7 und 8 des Entwurfs)
seien für Mecklenburg mit den größten Nachteilen und Schwierigkeiten verknüpft,
weil dem Lande dadurch die eventuelle Verpflichtung auferlegt werde, Rechte
aufzuheben, vielleicht abzulösen, deren Fortbestehen dort nicht für bedenklich oder
schädlich erachtet werde, deren Beseitigung also nur von der Bundesgesetzgebung
ausgehe. Der Bundesrat ließ sich denn auch in dieser Beziehung und nach
dem Hinweise auf „die in der That gar nicht zu bemessenden Schwierigkeiten
und die Mecklenburg zur Seite stehenden Billigkeitsgründe“ so weit erweichen,
daß die Aufhebung resp. Ablösbarkeit der Zwangs- und Bannrechte erst mit
1. Januar 1875 eintreten sollte. Nächstdem richtete sich der Widerstand Mecklen-
burgs gegen die im Entwurfe vorgeschlagene Erleichterung des Gewerbebetriebs
im Umherziehen, weil dies eine Erleichterung sei, welche zum großen Nachteile
derjenigen Bundesstaaten, die wie Mecklenburg den Hausirbetrieb möglichst ein-
schränkten, das Proletariat vermehren, die Aufsicht erschweren und den stehenden
Gewerbebetrieb benachteiligen würde. Schließlich stellte noch Hessen den Antrag,
es solle in das Gesetz folgende Bestimmung aufgenommen werden: Der Gesetz-
gebung jedes Bundesstaates bleibt es vorbehalten, für das Gebiet desselben die
Ueberwachung des Gewerbebetriebs auf ein geringeres als das nach diesem
Gesetze zulässige Maß zu beschränken. Der im Bundesrate abgelehnte Antrag
ging von der Auffassung aus, daß die Bundesgesetzgebung keinen Bundesstaat
zu einem Rückschritte auf dem Wege zur Gewerbefreiheit zu zwingen berechtigt sei.
Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund. Vom 21. Juni 1869
(B.-G.-Bl. S. 245).
Ausführung der Gewerbeordnung. a) Das Prüfungswesen
der Aerzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker. Durch die
Gewerbeordnung war dem Bundesrat der Erlaß von Reglements für die
Staatsprüfungen der Aerzte und Apotheker vorbehalten worden.
Der Bundeskanzler hatte schon im Jahre 1868 die auf diesem Gebiet
erforderlichen Schritte vorbereitet, indem er den Bundesregierungen im Korre-
spondenzwege die preußischen Reglements zur Mitteilung brachte, welche für die
Staatsprüfungen der Aerzte und Pharmazeuten bestanden, und welche für den
gesamten Norddeutschen Bund als Grundlage in Aussicht genommen worden
waren. Es ergingen über diese Mitteilung von mehreren Bundesregierungen
Aeußerungen, die zum Teil unbedingt zustimmend waren, zum Teil auch Ab-
änderungsvorschläge in Bezug auf einzelne Punkte machten. Der Bundeskanzler
stellte nun mit Rücksicht auf diese Aeußerungen zwei Entwürfe auf und legte