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Unterhandlung wurde durch Ermittelungen über die Lage der bezüglichen Ge—
setzgebung verzögert und war die königlich preußische Regierung damals der
Ansicht, daß der Sache nicht mehr durch sie, sondern durch den Bund Fort-
gang zu geben wäre. Einverstanden mit dieser Ansicht, hatte der Bundeskanzler
zunächst den Bundesgesandten in St. Petersburg beauftragt, sich zu vergewissern,
ob die von Rußland zwei Jahre vorher auf die Anfrage Preußens kundgegebene
Bereitwilligkeit zur Zeit dem Bunde gegenüber noch bestehe. Die russische Re-
gierung hatte hierauf ihre Geneigtheit, mit dem Norddeutschen Bunde in Ver-
handlungen wegen Abschlusses einer Literarkonvention einzutreten, erklärt und
zugleich die unterm 18. (30.) Juli 1862 zwischen Rußland und Belgien ab-
geschlossene Literarkonvention als eine geeignete Grundlage für solche Verhand-
lungen bezeichnet. Der Bundeskanzler erachtete im Einverständnis mit den
Regierungen von Preußen und Sachsen diese Verhandlungsbasis für annehmbar
und stellte daher bei dem Bundesrat den Antrag, sein Einverständnis damit
zu erkären, daß das Präsidium im Namen des Bundes mit Rußland über den
Abschluß einer Literarkonvention auf der angedeuteten Grundlage in Unterhand-
lung trete.
Der Bundesrat erklärte sich damit einverstanden. Leider ist diese Konvention
bisher nicht zu stande gekommen.
Das Betonnungswesen. Bezüglich des vom Reichstag gefaßten
Beschlusses auf Aenderung der Nr. 9 des Artikels 4 der Bundesverfassung da-
hin, daß auch das Betonnungswesen u. s. w. in den Kreis der Bundes-
kompetenz gezogen werde, beschloß der Bundesrat, zunächst die gutachtliche
Aeußerung der Seeuferstaaten zu hören. Die Ausdehnung der Kompetenz des
Reichs auf die Seeschiffahrtszeichen (Leuchtfeuer, Tonnen, Baaken und sonstigen
Tagesmarken) erfolgte erst durch Gesetz vom 3. März 1873 (R.-G.-Bl. S. 47.)
Gewährung von Rechtshilfe. Zur Ausführung des Artikels 4
Ziffer 11 der Bundesverfassung legte Bismarck im April 1869 dem Bundes-
rat einen von der Zivilprozeßordnungskommission ausgearbeiteten Gesetzentwurf,
betreffend die Gewährung der Rechtshilfe*?) innerhalb des Bundesgebiets, vor.
Derselbe wurde im Bundesrat mit allen gegen die vier Stimmen Sachsens an-
genommen. Gesetz vom 21. Juni 1869 (B.-G.-Bl. S. 305).
Jurisdiktionsvertrag mit den süddeutschen Staaten. Bei
Annahme des Gesetzes, betreffend die Gewährung der Rechtshilfe, hatte der
Reichstag beschlossen: den Bundeskanzler zu ersuchen, die geeigneten Schritte
zur Herbeiführung des Abschlusses von Jurisdiktionsverträgen mit den
süddeutschen Staaten zu thun. Infolge dessen war von dem Bundeskanzler
*) Vgl. oben S. 163 und über die Arbeit der Kommission die „Norddeutsche All-
gemeine Zeitung“ Nr. 46 vom 24. Februar 1869.