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regel bis zum Erlasse der gemeinsamen Zivilprozeßordnung zu vertagen. Beide
Anträge wurden mit großer Mehrheit abgelehnt. Dasselbe Schicksal hatte der
Antrag Lübecks, die seerechtlichen Sachen von der Kompetenz des binnen—
ländischen Oberhandelsgerichts auszunehmen und dieselben einem Bundesadmi-
ralitätsgerichte (Oberseegericht) zu überweisen, das in einem der Seehandels-
plätze zu errichten wäre. Der aus dem Schoße des Bundesrats an den
Reichstag gelangte Gesetzentwurf war absolut identisch mit der vom Ausschusse
für Justizwesen vorgeschlagenen Fassung des ursprünglich sächsischen Antrages.
Bei der Verhandlung im Bundesrat über die vom Reichstag in der
Vorlage wegen Errichtung eines obersten Handelsgerichtshofes beschlossenen Ab-
änderungen wurde noch einmal seitens der mecklenburgischen Regierung gegen
die von seiten der Majorität des Bundesrats der ganzen Angelegenheit gegebene
geschäftliche Behandlung Verwahrung eingelegt. Der Bund, so wurde von
neuem deduzirt, habe keine eigentliche Justizhoheit; dieselbe sei den Einzelstaaten
verfassungsmäßig gewahrt; der Bund könne Gesetze geben, aber die Recht-
sprechung nach diesen Gesetzen bleibe ein Ausfluß der Justizhoheit der Einzel-
staaten. Nun aber werde durch die Errichtung des beabsichtigten neuen Gerichts-
hofes mit einemmal eine Justizhoheit des Bundes geschaffen. Das sei etwas
Neues, eine Erweiterung der Bundeskompetenz, und es sei für die geschäftliche
Behandlung der bezüglichen Vorlage also keine andere Form zulässig, als die
im Artikel 78 der Bundesverfassung für eine Verfassungsänderung vorgeschriebene:
Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung, jedoch sei
zu denselben im Bundesrat eine Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen
Stimmen erforderlich. Ein Protest gegen das Gesetz, durch welches der oberste
Bundesgerichtshof für Handelssachen gegründet wurde, war diese Verwahrung
nicht, sondern es hatte dieselbe im wesentlichen nur den Zweck, ein Präjudiz,
welches, nach der Ansicht Mecklenburgs aus dem gegenwärtigen Falle, zum
Nachteile der den Einzelstaaten noch verbliebenen Selbständigkeit später ent-
nommen werden könnte, abzuwenden.
Gegen den Gesetzentwurf über die Errichtung eines obersten Handels-
gerichtshofes in der vom Reichstag beschlossenen Fassung stimmten außer den
beiden Mecklenburg auch noch Lübeck, Bremen und Hamburg. Gesetz vom
12. Juni 1869 (B.-G.-Bl. S. 201).
Der Gerichtshof konnte zwar vor dem Jahre 1870 nicht in Wirksamkeit
treten, es stellte sich aber doch die Notwendigkeit heraus, schon jetzt für eine
etatsmäßige Dotirung desselben zu sorgen. Einerseits galt es dabei die Ge-
winnung einer festen Grundlage für Verhandlungen mit Persönlichkeiten, welche
für Uebernahme von Stellen an diesem Tribunal ausersehen wurden. Anderer-
seits waren mannigfache äußere Einrichtungen und Vorbereitungen zu treffen.
Zu allen diesen Zwecken war es erforderlich, den Bundeshaushalts-Etat für das