Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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Besetzung einer Stelle im Oberhandelsgericht.“ Die Bevollmächtigten der 
übrigen thüringischen Regierungen traten den Erklärungen des großherzoglich 
sächsischen Vertreters bei. Der Bevollmächtigte für Hamburg bemerkte, „daß 
seine Regierung besonderen Wert darauf legen müsse, bei der nächsten Besetzung 
vakanter Stellen eine Persönlichkeit in das Oberhandelsgericht berufen zu sehen, 
welche das Hamburger Handels= und Seerecht zu vertreten geeignet sei."“ 
Die Bevollmächtigten Oldenburgs und Hessens sprachen im Namen ihrer Regie- 
rungen ähnliche Wünsche wegen Berufung eines oldenburgischen und eines 
hessischen Juristen in das Oberhandelsgericht aus. 
Die Wahl der Mitglieder fand in der Sitzung des Bundesrats vom 
18. Dezember 1870 statt. Zu Präsidenten wurden der Geheime Ober- 
Justizrat Pape im Justizministerium und der Vizepräsident Drechsler zu Lübeck 
gewählt.") 
Oberster Bundesgerichtshof für alle Rechtssachen. Als Schach- 
zug gegen den Antrag Sachsens auf Errichtung eines obersten Bundesgerichts- 
hofes für Handelssachen wurde von dem Bevollmächtigten Hamburgs der Antrag 
gestellt, der Bundesrat wolle sich mit der Errichtung eines allen Bundesstaaten 
gemeinsamen obersten Gerichtshofes für alle Strafsachen und privatrechtlichen 
Streitigkeiten, mindestens aber für letztere einverstanden erklären und das Bundes- 
präsidium um Vorlage eines bezüglichen Gesetzentwurfs ersuchen.“) 
In der Begründung dieses Antrags wurde darauf hingewiesen, daß durch 
die Einsetzung eines obersten Bundesgerichtshofes für Handelssachen den in den 
einzelnen Bundesstaaten bestehenden obersten Gerichtshöfen ein mehr oder minder 
wesentlicher Teil ihrer Kompetenz entzogen werden und daß diese Entziehung 
um so tiefer einschneiden würde, je größer in einem Staat die Zahl der 
Handelsstreitigkeiten im Vergleich zu den übrigen Rechtssachen wäre. In den 
Hansestädten, in welchen dies Verhältnis wie zwei zu drei stand, müßten die 
mit der Einsetzung eines solchen Bundesgerichtshofes verbundenen Nachteile um 
so mehr empfunden werden, namentlich aber würde sich überall eine Rechts- 
unsicherheit herausstellen, wenn nicht mehr derselbe Gerichtshof für alle An- 
gelegenheiten in letzter Instanz zuständig wäre. Um diesen Uebelständen vor- 
zubeugen, müsse von einer Trennung der als Handelssachen sich ergebenden 
Streitigkeiten von den anderen Rechtssachen gänzlich abgesehen und ein oberster 
Gerichtshof für alle Sachen, sowohl des bürgerlichen wie des Kriminalrechts, 
mindestens aber für die des bürgerlichen Rechts, errichtet werden. 
*) Die Namen der übrigen Gewählten findet man in der „Norddeutschen Allgemeinen 
Zeitung“ Nr. 299 vom 22. Dezember 1869. Vgl. auch das B.-G.-Bl. 1870 S. 27 
und 374. 
*“) Vgl. den Artikel der „National-Zeitung“: Die Zukunft des höchsten Bundesgerichts, 
Nr. 371 vom 12. August 1869.
	        
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