Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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Es liegt auf der Hand, so schrieb die „National-Zeitung“ Nr. 117 vom 
11. März 1869, daß wenigstens der Reichstag keinesfalls auf solche Vorschläge 
eingehen wird. Es ist schon eine Inkonsequenz, wenn einzelnen Staaten eine 
weitere Spezialvertretung überhaupt gestattet wird. Würde dies regelwidrige 
Verhältnis durch das Bundesbudget förmlich sanktionirt, so würde der ganzen 
Stellung des Bundes nach außen ihre Grundlage entzogen.) 
Bismarck ließ sich aber durch diese Tiraden von einer staatsmännischen 
Behandlung der Frage nicht abhalten. Wie von offiziöser Seite gemeldet 
wurde, „hatte auch der Bundeskanzler den Antrag auf Ermäßigung der 
von Sachsen, Mecklenburg 2c. zu leistenden Beiträge als eine natürliche Konse- 
quenz und als einen passenden Ausdruck des verfassungsmäßig feststehenden 
Gesandtschaftsrechtes der einzelnen Bundesstaaten anerkannt.“ Schließlich wurde 
dann der Etat des Bundesministeriums der auswärtigen An- 
gelegenheiten mit der Maßgabe genehmigt, daß 1. denjenigen Staaten, welche 
in München, Wien, Brüssel oder Paris eigene diplomatische Vertretungen unter- 
hielten, bei Festsetzung der Matrikularbeiträge die Hälfte der auf sie fallenden 
Kosten für die Besoldung der Bundesgesandtschaften in jenen Residenzstädten zu 
gute gerechnet werden soll; 2) daß von dem Etat des Ministeriums der aus- 
wärtigen Angelegenheiten für Besorgung von Geschäften, welche nicht dem Bunde 
sondern der preußischen Regierung angehören, die Summe von rund 60000 
*) In demselben Sinne schrieb die „Magdeburger Zeitung“: Was hinter diesem 
hartnäckig festgebaltenen Gesandtschaftsrechte eigentlich steckt, weiß ja jedermann. Seine 
Ausübung ist nichts anderes als ein stummer Protest gegen die Existenz des Norddeutschen 
Bundes. Ein stummer Protest, der sich im diplomatischen Verkehr mit den fremden 
Ministern wohl nicht selten in Konspiration gegen den Fortbestand der Norddeutschen Zu- 
stände verwandelt. Diese Diplomaten der halb souverän gewordenen Fürsten agiren vor- 
sichtiger als die Agenten der ganz depossedirten, aber es wäre der menschlichen Natur und 
ihren Leidenschaften zuwider, wenn sie sich in ihrer Grundstimmung von einander unter- 
schieden. Darum wird der Reichstag thun, was in seinen Kräften steht, um sie, wenn er 
sie nicht sofort aus der Welt schaffen kann, wenigstens allmälich auszuhungern. Um die- 
selbe Zeit brachte die „Kölnische Zeitung“ folgende Korrespondenz über die Art, wie der 
dortige Rest des diplomatischen Corps sich die Zeit vertriebö: Man wird nicht erwarten 
können, daß die fremden Diplomaten in den deutschen Bundesstaaten das Unnütze dieser 
Vertretung einräumen und die Einziehung dieser Posten für zweckmäßig erklären sollten. 
Die Langeweile, der Mangel an Gelegenheit zu einer angestrengten Thätigkeit, bietet Ver- 
anlassung zu allerlei Intriguen und Agitationen. Wir haben in Hamburg einen fran- 
zösischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in der Person des 
Herrn Rothan, einen französischen Legationssekretär Borcly de la Touche und einen Kanzler, 
der auch den Konsulatsposten versieht. Welche Politik hat nun der Herr Gesandte zu ver- 
solgen? Eine antinationale, insofern sie darauf hinausläuft, Preußen als einen eroberungs- 
süchtigen, von Frankreich zu beargwöhnenden Staat zu charakterisiren, als einen Staat, 
der Süddeutschland annektiren, ja, Frankreich durch Erregung von Plänen nach dem 
Besitze des Elsaß zu beunruhigen geneigt erscheint. Möge man hiernach erwägen, wohin 
die große Politik dieser fremden Zirkel hinausführen muß.
	        
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