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1. Branntweinsteuer. Bei Beratung des Gesetzentwurfs wegen Be—
steuerung des Branntweins in dem zum Norddeutschen Bunde gehörigen Teile
Hessens hatte der Reichstag auf Antrag des Abgeordneten Dr. Friedenthal
beschlossen, den Bundeskanzler zu ersuchen, die Frage über die Einführbarkeit
sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Vorzüge der Fabrikatsteuer vor der
Maischsteuer in Erwägung zu ziehen und den legislativen Austrag dieser Frage
durch alle geeigneten Mittel vorbereiten zu wollen. Infolge dessen beschloß der
Bundesrat, die Staaten Preußen, Sachsen und Braunschweig um die Bezeich-
nung von Kommissaren zu ersuchen, welche unter Zuziehung von Gewerbe-
treibenden und Technikern die oben gestellte Frage zu prüfen und Vorschläge
über den zu wählenden Steuermodus zu machen hätten.
Im Februar 1869 legte Bismarck dem Bundesrat den Bericht der gedachten
Kommission über das Ergebnis ihrer Beratungen vor.“)
Diesem Berichte waren drei Anlagen beigefügt, nämlich der Entwurf eines
Gesetzes, betreffend die Besteuerung des Branntweins in den zum Zollverein
gehörigen Teilen des Norddeutschen Bundes, welcher von der Kommissson aus-
gearbeitet war, der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erhebung der Brannt-
weinfabrikatsteuer im Norddeutschen Bunde, welcher von dem Königl. sächsischen
Kommissar zur Annahme empfohlen war, und die zu dem letzteren Entwurf
gehörigen Motive.
Die Majorität des Bundesratsausschusses entschied sich für das fakultative
System") und nahm an dem Gesetzentwurf nur wenige redaktionelle Aenderungen
*) Das Nähere über den Inhalt dieses Kommissionsberichts findet man in der „National-
Zeitung“ Nr. 83 vom 19. Februar 1869.
*“) Dies System — so argumentirte der Ausschuß — sei zwar nicht so klar und einfach
als der Uebergang zur obligatorischen Fabrikatsteuer, aber es vermeide die Nachteile, welche
mit einem mißlungenen Versuche verbunden seien. Die Erhöhung der Steuer um 33½ %
sei unbedenklich, eine Verteuerung des Branntweins kein Uebel, die Erhöhung werde die
Interessen der Landwirtschaft nicht beeinträchtigen. Ueberdies werde die Steuer für die
inländische Konsumtion sehr leicht abgewälzt, während das Absatzgebiet durch Eingangszoll
und Uebergangsabgabe geschützt, der Absatz nach außen und die Konkurrenzfähigkeit auf
fremden Märkten auch durch die Ausfuhrvergütung geschützt sei. Eine vorgeschlagene
Branntweinverbrauchssteuer würde mit dem im Norddeutschen Bunde durchgeführten Prin-
zipe des völlig freien Verkehrs in offenen Gegensatz treten und große Verwaltungskosten
erheischen. Die Annahme, daß die Steuer den Produzenten zur Last fallen und nicht auf
die Konsumenten abgewälzt werden könne, sei irrig. Ersterer schieße, wie der Bäcker, der
Schlächter, der Rübenzuckerfabrikant, die Steuer nur vor, und längst müßten alle Brennereien
geschlossen sein, wenn dies nicht der Fall wäre, denn auf die Dauer sei keine Produktion
möglich, bei der nicht sämtliche Produktionskosten nebst einem verhältnismäßigen Gewinn
im Preise erstattet würden. Die Produktion im Gebiete des Norddeutschen Bundes über-
schreite den Verbrauch um den sechsten Teil, der Handel mit dem Auslande sei durch die
Steuer wegen deren Rückvergütung nicht gehindert. Gestatteten die Konjunkturen des
Weltmarktes die Ausfuhr des Spiritus nicht, bleibe also über Bedarf davon im Lande, so