Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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worden wäre. Graf Bismarck blieb aber seiner bekannten Maxime treu, von 
dem Uebergewicht der preußischen Stimmen nur dann Gebrauch zu machen, 
wenn die Frage von großer nationaler Bedeutung war. Im vorliegenden Falle 
beschränkte sich der Bundeskanzler, mit Rücksicht auf den Widerstand der großen 
Mehrzahl der Regierungen, auf den Antrag, eine neue Vorlage ausarbeiten zu 
lassen, welche dem dringendsten Bedürfnisse abhelfe durch gesetzliche Bestimmungen 
über die Verpflichtung zur Armenpflege der Angehörigen eines andern 
Bundesstaates, also durch eine Umbildung des Gothaer Vertrages in Form 
eines Bundesgesetzes, nachdem der Bundesrat die Regelung dieser Frage ein— 
stimmig als notwendig anerkannt hatte. 
Bei der Gewerbeordnung standen sich zwei Ansichten gegenüber; die 
eine teilte die Ansicht der Präsidialregierung über die Bedürfnisfrage, die andere 
meinte dagegen, es lasse sich dem Bedürfnis durch Spezialgesetzgebung genügen. 
Letztere Ansicht blieb in der Minorität. 
Der im Jahre 1868 an den Amendements des Reichstags gescheiterte 
Gesetzentwurf über die Bundesverhältnisse der Bundesbeamten wurde im März 
1869 im Schoße des Bundesrats zur Wiedervorlage in der folgenden Session 
(1870) umgearbeitet. Die Liberalen hatten gehofft, daß der Bundesrat sich 
den früheren Beschlüssen des Reichstags unterordnen werde. Man kann sich 
den Unwillen denken, der sich in der Presse Luft machte, als verlautete, daß 
der Bundesrat die Vorschriften über die Befreiungen der Bundesbeamten von 
der Kommunnalbesteuerung nicht aufgegeben hatte. Der Reichstag rächte sich, 
indem er den bezüglichen Gesetzentwurf unter den Tisch warf. 
In dem Bestreben, den Bund in Bezug auf seine notwendigen und regel- 
mäßigen Ausgaben und selbständigen Einnahmen auszugestalten, folgte der 
Bundesrat zwar Bismarck; so ganz glatt gingen aber die einzelnen Vorschläge 
daselbst nicht durch. Schon bei Entscheidung der Frage über die rationellste 
Besteuerungsart des Branntweins zeigte sich Uneinigkeit. Königreich Sachsen 
sprach sich für die Fabrikatsteuer aus, wogegen die Majorität des Ausschusses 
nicht die unbedingte und obligatorische Einführung der Fabrikatsteuer empfahl, 
sondern den Uebergang zu derselben unter Modalitäten, welche eine allmäliche 
und stufenweise Aenderung des bis dahin geltenden Systems in Aussicht stellten. 
Gegen die Einführung einer für Rechnung des Bundes zu erhebenden 
Wechselstempelsteuer wurden besonders von seiten Hamburgs und Bremens Be- 
denken geltend gemacht, weil dadurch dem Budget dieser Staaten eine sehr be- 
deutende, zuverlässige und stets wachsende Einnahme entzogen und in die Bundes- 
kasse geworfen wurde. Wenn der Bund, so klagte man daselbst, uns nicht nur 
schwer drückende Ausgaben aufbürden, sondern auch unsere hauptsächlichsten 
Einnahmequellen uns entziehen will, dann wird ein geordneter Staatshaushalt 
für uns unmöglich, dann wird unsere finanzielle Lage unhaltbar. Schließlich 
einigte man sich dahin, die Einnahme in die Bundeskasse fließen zu lassen, den
	        
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