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geschehen werde. Wann? — Was machen wir Minister der Kleinstaaten nun
bis auf weiteres? — Keiner weiß eine Antwort. Das preußische Ministerium,
welches nun alle Bedenken hat kennen lernen und die formulirten Anträge in
Empfang genommen hat, wird sich vermutlich das Acceptable heraussuchen, das
übrige einfach verwerfen und uns seinen neubearbeiteten Entwurf vorlegen, den
der Vogel fressen muß oder daran sterben. Wir gehen unterdessen spazieren,
besuchen die neue Synagoge und dergleichen Neuigkeiten mehr, langweilen uns
bei schlechtem Wetter zu Hause und wer Lust hat, geht abends ins Wallner-
theater.
„Das Beste ist das Mittagessen um 4 Uhr in dem schon genannten Re-
staurant des Hotel Royal; ein vortreffliches Mahl, heitere Gesellschaft, die sich
zuletzt über sich selbst amüsirt und nur wünschen muß, daß zu Hause nichts
von ihrem Schlaraffenleben bekannt werde. Doch sind die Preise hoch. Couvert,
½ Wein (der geringste Preis 1 Thlr.), 1 Selters, Kaffee: 2 Thlr. 2½ Sgr.
Aber — die Gesellschaft ist charmant; fast alle deutschen Dialekte, unter denen
der echte Dräsener (Friesen) so entschieden hervorspringt, daß ich mich gegenüber
dem Hanseaten, Braunschweiger und Mecklenburger fast schäme, daß ein solcher
Accent in kebildeten Kraisen“ die Existenz riskirt.
„Wäre bessere Jahreszeit, dann führe ich nach Haus und ließe mir tele-
graphiren, wenn es wieder losgehen soll. Das ist jedoch als sicher anzunehmen,
daß wir in nächster Woche fertig werden. Denn am 12. Februar soll in
Preußen und sonst überall zum Parlament gewählt werden. Das verkündete
heute v. Savigny.“
*
9. Januar 1867.
„Nichts zu thun, als — nach erstattetem Bericht an den Herzog, worin
wenig Positives enthalten, und den ich überhaupt nur geschrieben habe, damit
er nach Ablauf von acht Tagen endlich erfahre, was aus mir geworden und
wo ich geblieben sei, — anhaltische Zeitungen gelesen. Um 4 Uhr zu Tische
nach Hotel Royal, wo wir uns sehr gut unterhielten. Von Politicis wußte
man im ganzen wenig. v. Seebach gibt Coburg verloren, allein durch den
Verlust der Malzsteuer; ob auch Gotha, welches eine gänzlich getrennte Ver—
waltung hat?“
(Hier folgen im Tagebuch lange Ausführungen über die Unzuträglichkeit
der Trennung des Stammvermögens des herzoglich-anhaltischen Hauses vom
Staatsvermögen).
„Hätte ich dafür zu sorgen, mich möglichst lange zu konserviren, dann
müßte ich bald daran denken, mir den Abschied erteilen zu lassen. Satt und
dick kann man es kriegen, aber desertiren mag ich doch nicht, wenn ich auch
nur mit einem Auge noch lesen und schreiben kann. Richtig ist es, daß ein
Staatsmann, gleichviel in welcher Ausdehnung seines Gebiets, will er vom