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Am 19. November 1870 langte Stichling in Berlin an. Nachdem er
überall, wo es nötig war, sich in gewohnter Weise einzuführen gesucht hatte,
wurde er am 21. November durch den Staatsminister Delbrück in dem Bundes-
rat als dessen neues Mitglied begrüßt.
Da sich Bismarck damals bereits längst auf französischem Boden befand,
so gehören ihre beiderseitigen Beziehungen einer späteren Zeit an und werden
darum besser in dem von dem „Bundesrat des Deutschen Reichs“ handelnden
Bande geschildert werden.
Bei Ausbruch des Krieges von 1866 hatte Stichling Bismarcks Politik
nicht ohne Mißtrauen betrachtet. Diese Voreingenommenheit wich aber bald
und vollständig, als Stichling die wahren Absichten Bismarcks und diesen selbst
näher kennen gelernt hatte.
5. Oldenburg.
Staatsminister von Roessing
(geboren 12. Februar 1805, gestorben 23. Juni 1874).
Erste juristische Prüfung 1828, zweite juristische Prüfung 1834 absolvirt, 1829
bis 1835 Amtsauditor bei den Aemtern Berne, Delmenhorst, Bockhorn und Westerstede,
1837 Landgerichtsassessor, 1843 Kanzleiassessor, 1848 Mitglied des Militärobergerichts und
des Militärkollegiums, 1850 Obergerichtsrat und Vorstand des Militärkollegiums, 1851
Mai Staatsrat und Mitglied des Staatsministeriums, August Vorsitzender im Staats-
ministerium, 1854 (Januar) Minister, Vorstand des Departements des großherzoglichen
Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten, der Justiz und der Kirchen und Schulen,
1860 Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat (Excellenz), 1872 (6. Februar) zum Staats-
minister.
6. Anhalt.
Staatsminister von Larisch
(geboren 17. November 1819)
hatte schon 1843 oder 1844 Berührung mit Bismarck, da er gleichzeitig mit
diesem bei der Regierung in Potsdam als Referendar beschäftigt war. Sonstige
Absolvirung des Gymnasiums in Weimar widmete er sich dem Studium der Rechtswissen-
schaft in Jena, Heidelberg und Göttingen. Nach Absolvirung des Staatsexamens (1836)
wurde Stichling zuerst bei dem Justizamt zu Weimar beschäftigt, ging alsdann zur Be-
reicherung seiner landwirtschaftlichen Kenntnisse nach Tharandt, von wo er bereits im Mai
1838 nach Weimar zurückkehrte, um das Amt als Geheimer Referendar beim Staats-
ministerium zu übernehmen. 1848 wurde er beratendes Mitglied des Staatsministeriums,
1863 zum Geheimen Staatsrat ernannt, am 1. August 1867 wurde ihm das Kultus-
departement übertragen. Ende 1882 wurde Stichling unter Belassung in der seitherigen
Leitung der Ministerialdepartements des großherzoglichen Hauses, des Kultus und der Justiz
zum vorsitzenden Staatsminister ernannt. Am 8. September 1886 feierte derselbe sein
fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Am 1. Februar 1890 erhielt derselbe auf sein Ansuchen in
gnädigster Form seine Pensionirung. Von verschiedenen Schriften, die Stichling publizirte,
erwähne ich die Broschüre: „Deutschland eine Trias?“ Berlin, bei Veit erschienen, „Am Vor-
abend der Dresdener Konferenzen“, „Eine Lebensbeschreibung des Ministers von Gersdorff“,
„Die Mutter der Ernestine“, „Historische Betrachtung über das Bundesgericht“ (1862).