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Kollegen waren noch ein Graf Henkel (nicht Guido) und ein Herr von Knebel.
Wenn Bismarck in Potsdam anwesend war,“) aß er häufig zusammen mit
seinen Kollegen; wenn es warm war, auf einem in dem Empfangsgebäude der
Eisenbahn eine Treppe hoch gelegenen Plateau, en plein air. Eines Tages
bemerkte Bismarck bei Tische, er wolle es fertig bekommen, von besagtem Plateau
aus eine leere Champagnerflasche über den ganzen Eisenbahnperron zu werfen.
Als einer der Tischgäste, der Stadtgerichtsrat v. Piper, dies für unmöglich
erklärte, proponirte Bismarck ihm eine Wette. Wer verlöre, solle alle Anwesenden
nächstens zu Tische einladen und für ein splendides Diner zu sorgen haben.
Die Wette wurde sogleich ausgefochten. Bismarck ergriff eine Champagnerflasche
und schleuderte sie mit aller Gewalt in der Richtung des Bahnperrons. In
diesem Augenblicke rollte auf dem letzten Geleise ein Bahnzug herein, an dem
die Flasche zerschellte. Durch die Unparteiischen wurde festgestellt, daß Bismarck
die Wette gewonnen habe, da die Flasche, wenn der Zug nicht dazwischen
kam, unfehlbar über das letzte Geleise hinausgefallen wäre. Als der Stadt-
gerichtsrat von Piper an einem der nächsten Tage sein Wettdiner gab, erhob
er sich alsbald, um einen Toast zu halten; demselben war aber die Gabe, seine
Gedanken kurz zusammen zu fassen, versagt. Endlos sprach er zu den Tisch-
genossen, die immer unruhiger wurden, den Redner fortwährend unterbrachen und
zu trinken begannen, ohne den Schluß des langweiligen Trinkspruches abzuwarten.
Kaum aber hatte v. Piper geendet, als der Referendar Bismarck an das Glas
schlug, sich erhob und unter ungeheurem Beifall der anderen Tischgäste anhub:
Es lebe die Würze
der Kürze!
Es lebe unser lieper,
Herr Stadtgerichtsrat von Piper.
v. Larisch hatte während seiner Beschäftigung bei dem Oberpräsidium
der Rheinprovinz in Coblenz, die ihn auch zeitweise nach Frankfurt a. M. und
namentlich während der Beratungen über den Malmöer Waffenstillstand in Be-
rührung mit hervorragenden Gliedern der Nationalversammlung führte, die
Ueberzeugung gewonnen, daß die deutsche Frage nicht wieder von der Tages-
ordnung schwinden, aber mit einem für das aus dem französischen Befreiungs-
kriege hervorgewachsenen Preußen an der Spitze ohne einen sehr ernsten Konflikt
mit Oesterreich nicht zu lösen sein werde.
Dieser Ueberzeugung gab v. Larisch in Naumburg während des Erfurter
Parlaments Bismarck gegenüber Ausdruck, worauf dieser erwiderte: „Das ist
auch meine Ueberzeugung, nie aber darf Preußen sich auf dies Duell unter
Sekundirung der Demokratie einlassen.“
Die nächste Begegnung von Bismarck und Larisch kennen wir aus meinem
*) Nicht selten ging er tagelang auf eine Besitzung zwischen Potsdam und Werder;
die Kollegen sagten dann, er habe wieder einmal das Bedürfnis nach „Einsiedelei“.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. I. 19