Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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zum Beispiel bei dem sächsischen Vorschlage wegen des Bundes-Oberhandels- 
gerichts — so war die Anfechtung beseitigt. So stellte auch Mecklenburg, als 
es in der Sitzung des Bundesrats vom 23. April 1869 zur Abstimmung über 
den Ausschußbericht über die erste Vorlage kommen sollte, den Antrag, darüber 
abzustimmen, ob nicht zur Annahme eines den Artikel 3 Alinea 3 und 4 ab- 
ändernden Gesetzentwurfs nach Artikel 78 der Bundesverfassung eine Stimmen- 
mehrheit von mindestens zwei Dritteln Stimmen im Bundesrat erforderlich sei. 
Das Präsidium hatte damals mit Rücksicht auf die prinzipiellen Bedenken gegen 
die Vorlage von der Abstimmung Abstand genommen; aber in den diesjährigen 
Ausschußverhandlungen hatte der mecklenburgische Bevollmächtigte bereits die 
Wiederholung seines Antrages in Aussicht gestellt. Das Resultat einer solchen 
Abstimmung war kaum zweifelhaft; Sachsen, Mecklenburg, Hessen, Hamburg, 
Bremen und eine Reihe der kleinen Staaten bestritten aus mannigfachen Gründen 
die Kompetenz der Bundesgesetzgebung.) 
Im Plenum des Bundesrats behielt zwar die preußische Auffassung gegen 
die Ausschußanträge in manchen Stücken die Oberhand, dagegen wurde der 
Grundsatz angenommen, daß die Unterstützung erst durch fünfjährige Orts- 
angehörigkeit solle erworben werden können. Damit war der ganze Ent- 
wurf in den Augen Preußens wieder wertlos gemacht und es bestand nur noch 
*) Ueber die einzelnen Voten im Ausschuß ist zu bemerken: Der hessische Bevoll- 
mächtigte erklärte, die Armenversorgung bilde an sich keinen Gegenstand der Bundesgesetz- 
gebung; insoweit der vorliegende Entwurf die Armenversorgung im Verhältnisse von 
Staat zu Staat, abweichend von dem Inhalte der Gothaer Konvention, regele, stehe eine 
Abänderung der Bundesverfassung in Frage. — Der mecklenburgische Bevollmächtigte schloß 
sich dieser Erklärung an und wiederholte, daß ein Gesetz, welches für das gesamte Gebiet 
des Bundes gleichmäßige Normen über den Erwerb des Unterstützungswohnsitzes ausfstelle, 
dem Bedürsfnisse entspreche. Der Entwurf enthalte Bestimmungen, welche mit dem wahren 
Wohle der unterstützungsbedürftigen Bevölkerung sowie mit der Stellung der Staaten 
und der Gemeinden zu dieser Aufgabe unvereinbar sei. — Der sächsische Bevollmächtigte 
stellte zur Erwägung, ob nicht in Bezug auf das Bedürfnis, dessen Abhilfe der vorliegende 
Entwurf bezwecke, durch das im Ausschusse bereits beratene und angenommene Gesetz über 
den Erwerb der Bundes= und Staatsangehörigkeit die Lage der Sache eine andere ge- 
worden sei: daß nämlich die Staatsangehörigkeit an sich die natürlichste Basis der Heimats- 
berechtigung darstelle, sei im wesentlichen nicht bestritten worden; würde nun der Erwerb 
der ersteren durch die Annahme des vorgedachten Gesetzes in einer Weise erleichtert, welche 
für alle in einem andern Bundesstaate sich niederlassenden Bundesangehörigen kaum noch 
irgendwie Schwierigkeiten biete, so erscheine es nur noch der Anerkennung des Satzes zu 
bedürfen, daß mit Erlangung der Staatsangehörigkeit zugleich das Heimatsrecht erworben 
werde, um den Erlaß eines besonderen Gesetzes über Erwerb des Unterstützungswohnsitzes 
entbehrlich zu machen. Er stellte schließlich den Antrag, eine Bestimmung des Inhalts: 
„Mit der Staatsangehörigkeit wird stets zugleich das Heimatsrecht erworben“, zum Gesetze 
zu erheben, welche entweder dem Gesetze über Freizügigkeit vom 1. November 1867 § 11 
angehängt oder auch in dem Gesetze über Erwerb der Bundes= und Staatsangehörigkeit 
Platz finden könne.
	        
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