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Beseitigung der Doppelbesteuerung. Der Ausschuß des Bundes-
rats für Zoll= und Steuerwesen und der Spezialausschuß für den Gesetzentwurf
über den Unterstützungswohnsitz erstatteten ihren gemeinschaftlichen Bericht
über den von Bismarck vorgelegten Gesetzentwurf.') Aus dem Bericht ging
hervor, daß bei der Beratung der Ausschüsse allseitig anerkannt wurde, wie
notwendig eine Abstellung der mit der Doppelbesteuerung verbundenen Uebel-
stände sei. Von dem hessischen Bevollmächtigten wurde jedoch hervorgehoben,
daß, wenn seine Regierung sich auch der Tendenz des Entwurfs im allgemeinen
anschlösse, sie doch nicht anerkennen könne, daß die Heranziehung der Bundes-
angehörigen zu den direkten Steuern der einzelnen Staaten verfassungsmäßig
ein Gegenstand der Bundesgesetzgebung sei. Der Bundesrat sollte vielmehr nur
in der Richtung mit der Angelegenheit sich befassen, daß er auf Herbeiführung
einer bezüglichen Verständigung zwischen den Regierungen hinwirke. Der mecklen-
burgische Bevollmächtigte erklärte sich mit dieser prinzipiellen Auffassung ein-
verstanden, verzichtete jedoch auf eine praktische Verfolgung des Widerspruchs.
Die überwiegende Mehrheit der Bevollmächtigten erklärte sich jedoch dahin, daß
auf die Vorlage einzugehen sei. Es wurde dann in eine Spezialdiskussion
eingetreten und schließlich die Vorlage mit einigen Abänderungen angenommen.
Gesetz vom 13. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 119).
Gewerbebetrieb im Umherziehen. Nach § 57 der Gewerbeord-
nung von 1869 konnte auch Ausländern der Gewerbebetrieb im
Umherziehen gestattet werden und war der Bundesrat befugt, die in
dieser Beziehung nötig erscheinenden Bestimmungen zu treffen. Behufs defini-
tiver Regelung dieser Angelegenheit wurde durch eine Vorlage Bismarcks der
der Kompetenz des Bundesamts nicht im Wege der einfachen Bundesgesetzgebung würde
zu geschehen haben. Der letzte Beschluß drückt also die Auffassung der Bundesregierungen
aus, daß diese anderweite Kompetenzbestimmung des Bundesamts für das Heimatswesen
eine Aenderung der Bundesverfassung enthalten würde.
*) Herr v. Holleufer, fürstlich schwarzburgischer Wirklicher Geheimer Rat a. D. und
königl. preußischer Landrat z. D. veröffentlichte in Dresdener Blättern nachstehenden an ihn
ergangenen, in Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnten Erlaß: „Berlin, 4. August 1869.
Euer Hochwohlgeboren erwidere ich ergebenst auf die gefällige Zuschrift vom 26. vorigen
Monats, in welcher Sie sich über die gleichzeitige Heranziehung zu der Einkommensteuer
in verschiedenen Bundesstaaten beschweren, daß diese Doppelbesteuerung in der weder durch
die Verfassung noch durch die bisherige Gesetzgebung des Bundes berührten inneren Steuer-
gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten begründet ist. Die Beseitigung der aus dem gegen-
wärtigen, allseitig als unbefriedigend anerkannten Zustande für die Bundesangehörigen folgen-
den Nachteile ist in das Auge gefaßt, so daß eine Regelung des Gegenstandes, sei es auf
dem von den Regierungen Preußens und Sachsens betretenen Wege der Vereinbarung
zwischen den einzelnen Bundesstaaten, sei es auf dem Wege der Bundesgesetzgebung, als
in Aussicht stehend bezeichnet werden kann. Die Anlagen sind ergebenst wieder beigefügt.
Der Kanzler des Norddeutschen Bundes. In Vertretung: Delbrück.“