— 305 —
Der dem Bundeskanzler überreichte vollendete Entwurf bestand aus acht
Büchern in 66 Titeln und 1174 Paragraphen. Vorausgeschickt waren „Vor-
bemerkungen“, betreffend die Grundzüge der Gerichtsverfassung. Beigefügt war
der Entwurf eines Einführungsgesetzes. Die Beratungen der Kommission über
den Zivilprozeßordnungs = Entwurf nahmen 390 Sitzungen in der Zeit vom
3. Januar 1868 bis 20. Juli 1870 in Anspruch. Die Protokolle wurden,
5 Quadratbände von etwa 2700 Seiten umfassend, im Manuskript gedruckt
und an die verbündeten Regierungen sowie an Behörden versandt.)
Strafgesetzbuch. Bezüglich desselben lehnte der Justizausschuß alle
von den verschiedenen Bundesregierungen gestellten Anträge ab, mit Ausnahme
einer Modifikation der §§ 2 und 3 im Einführungsgesetze. Die wichtigste dieser
Aenderungen war der von den Regierungen des Königreichs Sachsen und des
Großherzogtums Oldenburg eingebrachte Antrag: aus dem Entwurfe durchgängig
die Todesstrafe zu entfernen und an deren Stelle Zuchthausstrafe zu setzen,
eventuell in das Gesetzbuch die Bestimmung aufzunehmen, daß im Königreich
Sachsen und in Oldenburg anstatt der Todesstrafe Zuchthausstrafe verhängt
werden könne. Der Ausschuß erklärte sich für die Beibehaltung der Todes-
strafe und lehnte auch den letzteren Teil des Antrags ab. — Was die Ab-
erkennung des Adels betrifft, so wollte der Entwurf dieselbe nur temporär,
d. h. nur für so lange Zeit aussprechen, als das Gericht auf Verlust der bürger-
lichen Ehrenrechte erkennt. Demgegenüber wurde einerseits vorgeschlagen, daß,
wenn einmal auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, gleichviel auf wie lange,
erkannt werde, dann der Verlust des Adels niemals bloß ein temporärer, sondern
stets ein bleibender sein müsse. Von anderer Seite wollte man den Punkt wegen
der Aberkennung des Adels überhaupt gänzlich aus dem Spiele lassen. Auch
hier wurde der Entwurf beibehalten.
Bei der entscheidenden Beratung im Bundesrat (11. Februar 1870) wurde
die Beibehaltung der Todesstrafe gegen eine Minderheit von 14 Stimmen be-
schlossen. Der Antrag Preußens, im § 30 hinter dem Worte „Ehrenzeichen"“
einzuschalten: (die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden
Verlust) „des Adels“, wurde gegen die 20 Stimmen Preußens und der beiden
Mecklenburg abgelehnt. Infolge dessen wurde dann auch im § 31 die Streichung
der ursprünglichen Nr. 4, „den Adel zu führen“, beschlossen. Bei der Beratung
des Einführungstermins des Strafgesetzbuches und des Einführungsgesetzes wurde
der königl. sächsische Antrag: das Strafgesetzbuch erst dann in Kraft treten zu
*) Außer dem gedachten Entwurfe hatte sich die Kommission auf Veranlassung des
Bundeskanzlers der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen, betreffend 1. die Aufhebung der
Schuldhaft, 2. die Beschlagnahme von Arbeits= und Dienstlöhnen, 3. die Gewährung der
Rechtshilfe, 4. die zu Gunsten der Militärpersonen eintretende Einstellung des Zivilprozeß-
verfahrens, sowie der Begutachtung des Genossenschaftsgesetzentwurfs und einer damit in
Verbindung stehenden Frage in zusammen 28 außerordentlichen Sitzungen unterzogen.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. I. 20