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stimmende Betriebsreglements eingeführt werden, legte Bismarck unter
dem 25. März 1870*) dem Bundesrat den Entwurf zu einem „Betriebs-
reglement für die Eisenbahnen im Norddeutschen Bunde“ vor.
Bei der Beratung im Bundesrat**) gab der Bevollmächtigte Dr. Krüger
im Namen Hamburgs und Bremens die Erklärung ab, daß der Bundesrat nicht
befugt sei, den Entwurf, der in privatrechtliche Verhältnisse eingriff, ohne Mit-
genehmigung des Reichstags zur bindenden Norm für das Bundesgebiet zu
erheben. Diese Ansicht fand keinen Anklang, und es wurde entgegnet, daß das
Reglement eine Aenderung privatrechtlicher Bestimmungen in keiner Weise be-
zwecke, daß vielmehr diejenigen wenigen Vorschriften des Entwurfs, welche
überhaupt das Gebiet des Privatrechts berührten, lediglich dem Handelsgesetz-
buch entnommen und daher schon jetzt innerhalb des Bundesgebiets in gesetzlicher
Geltung seien. Der Bevollmächtigte für Hamburg stellte sodann den Antrag:
Der Bundesrat wolle eine kommissarische Vernehmung von Vertretern des
Handelsstandes und der Eisenbahnvorstände unter Leitung eines Vertreters des
Bundesrats veranlassen, um über die gegenseitigen Interessen in Bezug auf
den die Warenbeförderung betreffenden Abschnitt des Reglements eine Aus-
gleichung der entgegenstehenden Ansichten herbeizuführen. Auch dieser Antrag
wurde abgelehnt; das Reglement, welches am 1. Oktober 1870 in Kraft trat,
wurde darauf mit den im Bundesrat beschlossenen Modifikationen gegen die
alleinige Stimme Hamburgs angenommen.
Bekanntmachung, betreffend das Betriebsreglement für die Eisenbahnen
im Norddeutschen Bunde. Vom 10. Juni 1870 (B.-G.-Bl. S. 419).)
Weitere Vorlagen Bismarcks betrafen:
a. Das Bahnpolizeireglement für die Eisenbahnen im Norddeutschen
Bunde. )Bekanntmachung vom 3. Juni 1870 (B.-G.-Bl. S. 461).
*) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.
**) Im Ausschuß für Post= und Eisenbahnwesen wurden zu dem Entwurfe mehrere
Anträge gestellt und zu mehreren Paragraphen Modifikationen vorgeschlagen. Beantragt
wurde im allgemeinen, der Bundesrat wolle erklären, daß das Reglement nicht auf Trans-
porte, deren Abgangs= und Bestimmungsorte innerhalb des deutschen Bundesgebietes liegen,
zu beschränken, daß es vielmehr auch Anwendung zu finden habe auf Sendungen, die sich
über das Bundesgebiet hinaus bewegen, sofern für diese besondere Reglements mit den
bezüglichen nicht norddeutschen Eisenbahnverwaltungen nicht vereinbart sind. Die Bundes-
regierungen sollten dahin wirken, daß für die gedachten Vereinbarungen die durch das
Bundesreglement festgestellten Normen so viel als möglich Annahme finden.
***) Vgl. Bemerkungen der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ darüber in der Nr. 156
vom 8. Juli 1870. Ein in Kohls Bismarck-Regesten gleichfalls nicht erwähntes Schreiben
Delbrücks an die Aeltesten der Kaufmannschaft in Danzig, betreffend den Entwurf eines
Betriebsreglements für die norddeutschen Eisenbahnen, findet sich veröffentlicht in der „Nord-
deutschen Allgemeinen Zeitung“ Nr. 151 vom 2. Juli 1870.
+) Der Ausschuß des Bundesrats für Post= und Telegraphenwesen beantragte, daf dieses
Reglement den Betrieb sogenannter sekundärer Eisenbahnen nicht hindere und daß es zu-