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zösischen Kabinet lediglich darum zu thun gewesen, zum Zwecke der
Beseitigung dieser Kandidatur die guten Dienste Preußens in Anspruch zu
nehmen, so hätte sich demselben hierfür in einem vertraulichen Benehmen mit
der preußischen Regierung der einfachste und geeignetste Weg dargeboten. Der
Inhalt der von dem Duc de Gramont im Corps Igislatif gehaltenen Rede
schnitt dagegen jede Möglichkeit solcher vertraulichen Erörterung ab. Die Auf-
nahme, welche diese Rede in der genannten Versammlung fand, die von der
französischen Regierung seitdem eingenommene Haltung, die von ihr gestellten
unannehmbaren Zumutungen konnten dem Bundespräsidium keinen Zweifel mehr
darüber lassen, daß die französische Regierung es von vornherein darauf ab-
gesehen hatte, entweder seine Demütigung oder den Krieg herbeizuführen.
Der ersteren Alternative sich zu fügen, war unmöglich. Die Leiden, welche
mit dem Ausbruch eines Krieges zwischen Deutschland und Frankreich im
Zentrum der europäischen Zivilisation unausbleiblich verbunden sind, machen den
gegen Deutschland geübten Zwang zum Kriege zu einer schweren Versündigung
an den Interessen der Menschheit. Die öffentliche Meinung Deutschlands hat
dies empfunden. Die Erregung des deutschen Nationalgefühls gibt davon Zeug-
nis. Es bleibt keine Wahl mehr als der Krieg oder die der französischen Re-
gierung obliegende Bürgschaft gegen Wiederkehr ähnlicher Bedrohungen des
Friedens und der Wohlfahrt Europas."“
Der Freiherr v. Friesen erklärte: „Im Namen der königlich sächsischen
Regierung, welche, wie ich annehmen darf, hierin mit allen übrigen hohen
Bundesregierungen im vollen Einklange sich befindet, spreche ich das Einver-
ständnis mit allen bisherigen Schritten des Bundespräsidiums und mit der von
Preußen kundgegebenen Auffassung der Sachlage aus. Frankreich will den
Krieg. Möge derselbe denn möglichst schnell und kräftig geführt werden."“
Die Bevollmächtigten der übrigen hohen Bundesregierungen traten sämt-
lich der Erklärung des Königreichs Sachsen bei. *)
11. Die BVontusfrage.
Um seine Stellung zu dieser Frage zu präzisiren, richtete Bismarck am
30. November 1870 das folgende Schreiben an den Bundesrat:
„Der Unterzeichnete beehrt sich, im Namen des Präsidiums dem Bundes-
rat hierbei die Schriftstücke vorzulegen, welche dem Auswärtigen Amt in der
letzten Zeit in Bezug auf den Pariser Traktat vom 30. März 1856 zugegangen
*) Unterzeichnet ist das Protokoll über diese denkwürdigste aller Bundesratssitzungen
des Norddeutschen Bundes von Bismarck, Camphausen, Delbrück, Pape, Gün-
ther, v. Philipsborn, Hasselbach, Weishaupt, Stephan, Schmalz,
v. Oertzen, v. Harbou, v. Roessing, v. Liebe, v. Krosigk, v. Gerstenberg-
Zech, v. Seebach, v. Bertrab, v. Wolffersdorff, v. Flottwell, Höcker,
Krüger, Gildemeister, Kirchenpauer, Eck.