müssen, daß Graf Bismarck diesen Vertrag als ein Ganzes, als einen großen
politischen Akt betrachtet habe, den er so nicht abgeschlossen hätte, wenn Bayerns
Eintritt wohlfeiler und mehr im System und Schema der Verfassung zu haben
gewesen wäre. Ein andere Frage ist es, ob Bayern nicht klüger gehandelt
hätte, einfach als primus inter pares einzutreten, auf sein Recht und sein
eigenes Gewicht vertrauend, anstatt, wie jetzt der Fall, durch Ausnahmen zweifel-
haften Wertes und zweifelhafter Dauer die Bundesgenossen zu verstimmen und
den Reichstag zum Kampfe gegen die Dauer dieser Sonderrechte herauszufordern.
Was mir materiell am wenigsten zusagt, ist Bayerns exzeptionelle Stellung zur
Militärverfassung, während es doch im Militärausschuß volle Stimme führt.
Wenn indes der Bundesfeldherr diesen Preis für den Eintritt Bayerns in die
Verfassung nicht zu hoch fand, so werden sich die anderen Bundesglieder dabei
beruhigen müssen. Der diplomatische Ausschuß wird sachlich keinen großen Ein-
fluß oder Geschäftskreis haben, nur Bayern eine gewisse Wichtigkeit geben, aber
es stört die Gleichberechtigung. Die übrigen Exzeptionen sind im ganzen un-
zweckmäßig, aber sie haben für Mecklenburg den Vorteil, daß der Bund weit
weniger die Wesenheit eines zentralisirten Staats behalten oder erhalten kann,
als bis jetzt zu fürchten war. Das ganze Triebwerk wird föderaler."“
Der Großherzog von Mecklenburg ermächtigte darauf Herrn v. Bülow, sich
in dem vorstehend entwickelten Sinne bei der Abstimmung über die Verträge im
Bundesrat zustimmend zu erklären. Dies geschah in der Sitzung vom 9. De-
zember. Die Instruktion des Großherzogs aus Orleans hatte Bülow an diesem
Tage noch nicht erhalten. Er stimmte aber auf eigene Verantwortung für die
Annahme. Nur bezüglich der durch den Ausdruck „Reich“ in der Verfassung
vorzunehmenden Aenderung legte er die Verwahrung ein, daß dadurch sachliche
Veränderungen in der Bundesorganisation nicht bedingt seien. Sachsen schloß
sich dieser Verwahrung an und auf Antrag Hessens trat schließlich die ganze
Versammlung derselben bei.
12. Die Kaiserfrage
schwebte während der Verhandlungen über die Versailler Verträge im Reichstag
in der Luft, und da derselbe am 10. Dezember geschlossen werden sollte, so
war die Befürchtung gerechtfertigt, die Sache werde bis zum nächsten Reichstag
im Frühjahr 1871 ruhen. In der Nacht vom 7. zum 8. Dezember wurde
der weimarische Staatsminister Stichling durch ein Telegramm seines Groß-
herzogs aus Versailles geweckt, welches lautete: „Zum geschäftlichen Abschluß
der Kaiserfrage wird, nachdem nunmehr die zustimmenden Erklärungen der
meisten Fürsten vorliegen, eine verfassungsmäßige Beschlußnahme des nord-
deutschen Bundesrats und Reichstags vor Schluß des letzteren unentbehrlich
sein. Der bayrischen Anregung in Süddeutschland entsprechend wird in Nord-