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in die Erinnerungen aus ihrem Leben zu gewähren, nimmt der sächsische Minister
Freiherr v. Friesen mit die erste Stelle ein. Er hat uns ein bedeutsames Ge—
schichtswerk hinterlassen,“) das leider für unsere Zwecke etwas zu früh ab—
bricht, da der Schluß (die Zeit nach Errichtung des Norddeutschen Bundes)
erst nach Verlauf von einigen Jahren erscheinen soll.
Die erste Gelegenheit zu einer hervorragenden staatsmännischen Wirksamkeit
wurde v. Friesen geboten mit seiner Ernennung zum Minister des Innern im
Jahre 1849 während des Maiaufstandes. Seltene Besonnenheit und Energie
zeichneten ihn damals in allen seinen Maßnahmen aus. Dann folgte für ihn
eine mühe- und arbeitsvolle Zeit, in der es galt, das Staatsschiff aus den
brandenden Wogen der Revolution wieder in ruhiges Fahrwasser zu leiten,
bis zu seiner Enthebung vom Ministerium des Innern im Jahre 1852, auf
welcher er selbst damals bestand, weil er sich nicht entschließen konnte, mit der
neuen, namentlich vom Minister Freiherrn v. Beust vertretenen Zollpolitik sich
zu identifiziren.
Auch in seiner späteren Eigenschaft als Finanzminister hat er in den
verschiedensten Zweigen seines vielseitigen Ressorts sich bleibende und hervor—
ragende Verdienste erworben.
Als bei Ausbruch des Krieges im Jahre 1866 die Regierung in die
Hände der Landeskommission gelegt ward, wurde auch v. Friesen zu deren
Mitglied ernannt. Kurze Zeit darauf machte Friesen die Bekanntschaft Bis-
marcks, als er in seiner Eigenschaft als sächsischer Finanzminister am 19. Au-
gust 1866 nach Berlin gefahren war, um gemeinschaftlich mit dem Grafen
Hohenthal die Friedensverhandlungen zwischen Preußen und Sachsen zu führen.
Der Schwierigkeit ihrer Aufgabe waren sich beide Unterhändler wohl bewußt.
Zirkulirte doch in diplomatischen Kreisen Berlins der, nebenbei bemerkt, sehr
unglaubwürdig scheinende Ausspruch Bismarcks: „Ich werde dem Könige
von Sachsen Bedingunger stellen, die er ehrenhafter Weise gar
nicht annehmen kann.“
Der Inhalt der ersten einstündigen bewegten Unterredung Bismarcks mit
auf der Universität Göttingen, 1830—1832 Studium der Rechte in Leipzig, 11 Jahre
Hilfsarbeiter bei der Kreisdirektion in Leipzig, 1841 Ernennung zum Regierungsrat, 1846
Einberufung in das Ministerium des Innern zu Dresden. Vom 7. Mai 1849 bis
3. Oktober 1852 Minister des Innern, interimistisch auch mit der Leitung des Finanz-
ministeriums betraut, 1. Juni 1853 Kreisdirektor in Zwickau, 1. Juni 1859 Uebernahme
des Finanzministeriums, am 29. Oktober 1866 Ernennung zum Minister der auswärtigen
Angelegenheiten, seit 1. Oktober 1871 Vorsitz im Gesamtministerium, 31. Oktober 1876
Eintritt in den erbetenen Ruhestand.
*) „Erinnerungen aus meinem Leben“, von Richard Freiherrn v. Friesen, Königlich
sächsischer Staatsminister a. D. Zwei Bände. Dresden 1880. Wilhelm Baensch Ver-
lagsbuchhandlung. Vgl. dazu den Aufsatz von Th. Flathe „Die Memoiren des Herrn
v. Friesen“, in Sybels Historischer Zeitschrift. Bd. 46 (1881) S. 1—48.