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Dieses Prinzip der Heimlichkeit hat sich aber in prasi nicht durchführen
lassen. Die Reichsregierung fühlte gleich von Anfang an das Bedürfnis, das
Publikum wenigstens über den Gang der Bundesratsberatungen im allgemeinen
zu orientiren, sie verfaßte selbst kleine Referate über jede einzelne Bundesrats-
sitzung, die sie dann in die ihr nahestehenden Blätter lancirte. Damit nicht
genug, wurde das Publikum auch mit den wichtigeren Vorlagen bekannt ge-
macht, die das Präsidium oder einzelne Bundesregierungen dem Bundesrat
zur Beschlußfassung unterbreiteten. Dies hatte zum Zweck, für die betreffenden
Vorlagen, die demnächst den Reichstag beschäftigen sollten, Stimmung zu
machen und durch eine geschickte Beleuchtung dafür zu sorgen, daß Vorurteile,
die gegen eine gesetzgeberische oder administrative Maßregel bestanden, zurück-
traten.
Bei Begründung des Norddeutschen Bundes wurde mit diesen von Amts-
wegen ausgehenden Publikationen ziemlich vorsichtig verfahren; die Zeitungen
erhielten meist nur eine knapp gehaltene Inhaltsangabe der betreffenden Vor-
lagen und einige Erläuterungen aus den Motiven. Später wurde hiermit
liberaler verfahren und die offiziöse, d. h. der Regierung dienende Presse häufig
in den Stand gesetzt, den vollen Wortlaut von Bundesratsdrucksachen abzudrucken.
Als es sich darum handelte, für die neue Zoll= und Handelspolitik von 1879
Propaganda zu machen, wurde hiervon in ausgiebigster Weise Gebrauch ge-
macht. Eine Anzahl anderer Drucksachen ist durch andere Kanäle in die
Oeffentlichkeit gedrungen. Mitunter waren es Bevollmächtigte zum Bundesrat,
die den Inhalt einzelner Drucksachen die ihnen nahestehenden Zeitungskorre-
spondenten einsehen ließen; in einem Falle hat ein Beamter die Hand zur
Veröffentlichung einer Bundesratsdrucksache geboten. Sobald die eingeleitete
Untersuchung seine Schuld ergeben hatte, wurde ein Disziplinarverfahren über
ihn verhängt, das mit Entlassung aus der von ihm in einer obersten Reichs-
behörde bekleideten Stelle endigte.
Da ich für dieses Werk um die Erlaubnis zur Aufnahme bisher noch
nicht veröffentlichter Bundesratsverhandlungen nicht nachgesucht habe, so ergibt
sich aus dem Vorstehenden der Umfang der Quellen, auf denen die vorliegende
Publikation beruht. Zu gute kommen ihr allerdings noch zwei Momente, ein-
mal, daß ich seit 1876 in demselben Hause arbeite, in dem der Bundesrat
seine Sitzungen abhält, sodann daß ich im Laufe der Jahre vielen Mitgliedern
dieser hohen Körperschaft näher getreten bin und auf diesem Wege insbesondere