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Landes-Aufsichtsbehörde, von der ihr eingeräumten Befugnis Gebrauch machend,
in dringenden Fällen, vorbehaltlich der nachträglichen Genehmigung des Bundes-
rats, Ausnahmetarife zuzulassen für angezeigt hält. Für den Fall der Meinungs-
verschiedenheit zwischen der Landes-Aufsichtsbehörde und dem Reichs-Eisenbahn=
Amt war in einem Einzelfall (§ 7, Abs. 2) ausdrücklich auf die Entscheidung
durch den Bundesrat hingewiesen, ohne daß jedoch die Absicht dahin gegangen
wäre, die Einholung dieser Entscheidung in anderen ähnlichen Fällen auszu-
schließen. Endlich waren dem Reichs-Eisenbahn-Amt diejenigen Angelegenheiten
vorbehalten, in welchen die Zuständigkeit dieser zur Wahrnehmung des Aufsichts-
rechts über das Eisenbahnwesen berufenen Reichsbehörde im Sinne des Gesetzes
vom 27. Juni 1873 begründet erschien.
Nach der Begründung zielten die in dem ersten Abschnitt des Entwurfs,
über die Bildung der Tarife, vorgesehenen Bestimmungen darauf ab, die mög-
lichste Gleichmäßigkeit und Uebersichtlichleit der Gütertarife unter Beachtung be-
rechtigter Sonderinteressen einzelner Bahnen oder Verkehrszweige sicherzustellen
und gegen willkürliche Begünstigung außerdeutscher Interessen Schutz zu gewähren.
Es war daher die Annahme eines einheitlichen Tarifsystems und gleicher Normal-
einheitssätze für alle Bahnen vorgesehen und die Feststellung dieses Systems
sowohl wie der Sätze dem Bundesrat übertragen, dem letzteren auch der Regel
nach die Genehmigung etwaiger Ausnahmen vorbehalten.
Der wichtige § 4 des Entwurfs wurde in Folgendem begründet:
„Der § 4 überträgt dem Bundesrat die gleichmäßige Bestimmung der
Tarifvorschriften und der Güterklassifikation (des Tarifsystems) sowie die Normal-
einheitssätze.
Das Tarifsystem anlangend, so war der Ausschuß über die Notwendigkeit
einer einheitlichen reichsseitigen Feststellung desselben einig. Nur darüber, ob
diese Feststellung durch Gesetz oder durch Bestimmung des Bundesrats erfolgen
solle, gingen die Meinungen auseinander.
Gegen die gesetzliche Feststellung wurde geltend gemacht, daß sich die Auf-
nahme derartiger Detailvorschriften in das Gesetz wegen der Schwierigkeit, not-
wendige Abänderungen herbeizuführen, nicht empfehle; auch mangle es zurzeit
noch an den zu einer solchen endgültigen Regelung des Tarifwesens erforderlichen
Erfahrungen. Das auf den deutschen Bahnen bestehende einheitliche System sei
noch zu kurz in Geltung, um ein definitives Urteil über seine Vorzüge und
Mängel zu gestatten.
Von der anderen Seite wurde das Bedürfnis einer häufigeren Abänderung
des Tarifsystems im allgemeinen Verkehrsinteresse verneint, auch auf die bis-
herigen entgegenstehenden Erfahrungen verwiesen. Ein häufigerer Wechsel habe
auch zu der Zeit, als die einzelnen Bahnen noch verschiedenen Systemen huldigten,
wesentlich nur in Bezug auf die Klassifikation einzelner Artikel und auf speziellere
Ausführungsvorschriften stattgehabt. Einem etwaigen Bedürfnis nach dieser