Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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An dem Entwurfe selbst nahm der Bundesrat nur einige materielle Aende- 
rungen von Erheblichkeit vor; außerdem unterzog derselbe die Fassung der meisten 
Paragraphen einer redaktionellen Umarbeitung und allegirte überall die in Bezug 
merkte: „Der Antrag ist nur ein Zusatz, würde also keine Aenderung des Gesetzentwurfs 
involviren.“ Die „B. A. C.“ bemerkte zu den vorstehenden Beschlüssen des Bundesrats: 
„Die Abänderung, welche die ursprüngliche Vorlage des Reichskanzlers (Abordnung von 
Kommissaren des Statthalters an Stelle eines vom Landesausschusse zu wählenden Dele- 
girten zum Bundesrate) erfahren hat, läßt auf den Widerstand schließen, welchem ein Vor- 
schlag, Elsaß-Lothringen im Bundesrate eine seiner Bedeutung entsprechende Anzahl von 
Stimmen beizulegen, bei der Mehrzahl der Regierungen begegnen würde. Weniger ver- 
ständlich ist der Zweck, welcher mit dem bayerischen Antrage zu § 1 der Vorlage sich ver- 
bindet, auszusprechen, daß die Angliederung der Statthalterwürde an das Haupt eines 
regierenden bundesfürstlichen Hauses mit dem reichsländischen Charakter von Elsaß-Loth- 
ringen nicht als vereinbar zu erachten sein werde. In der dem Reichstage zugegangenen 
Vorlage befindet sich bekanntlich ein solcher Vorbehalt nicht, wie denn auch erst, nachdem 
die Vorlage dem Reichstage zugegangen war, im Bundesrate die Abstimmung über den 
Antrag Bayerns erfolgt ist. Ein einseitiger, zu Protokoll genommener Beschluß des Bundes- 
rates hat aber für die Gesetzgebung keinen Wert, ja kann nicht einmal als bindende Direktive 
für die Reichsverwaltung gelten. Wir geben zu, daß durch einen Austausch von Er- 
klärungen und deren Protokollirung gegenwärtige Intentionen der Regierungen festgestellt 
werden können, aber diese Erklärungen besitzen keine bindende Kraft, eine gesetzliche gewiß 
nicht, weil sie einseitig von den Regierungen ausgehen und nicht durch den anderen Faktor 
der Gesetzgebung legislative Kraft erhalten; aber sie können auch keine moralische Bindung 
beanspruchen, da spätere Regierungen an derartige Erklärungen ihrer Vorgänger nicht ge- 
bunden sind. Man hat dabei wohl im Sinn gehabt, daß beim Abschluß von internatio- 
nalen Verträgen oft in den Verhandlungsprotokollen Erklärungen niedergelegt sind, die 
nicht in den Vertrag selber ausgenommen wurden; für die bindende Kraft dieser proto- 
kollarischen Erklärungen ist aber die Voraussetzung die, daß auf sie in dem Vertrage selber 
Bezug genommen wird. Für die Auslegung von Gesetzen haben derartige einseitige Er- 
klärungen aber keine bindende Kraft; es sind Resolutionen, welche bekunden, daß zu einer 
bestimmten Zeit die Ansicht bestanden hat, einer Gesetzesstelle einen bestimmten Sinn bei- 
zulegen. Eine solche Erklärung hindert aber nicht, daß später andere derselben Stelle einen 
andern Sinn beilegen. Wohin der bayerische Vorbehalt zielt, ist nicht ganz klar. Sollte 
es sich in Zukunft einmal darum handeln, den Anschluß des Reichslandes an einen Bundes- 
staat des Reichs, in was immer für einer Form, herbeizuführen, so würde dazu ein Gesetz 
notwendig sein, und einem solchen gegenüber kann man im voraus keine Vorsichtsmaßregel 
treffen. Es besteht also vorläufig weiter nichts als eine Willensäußerung der bayerischen 
Regierung, und ein sogenannter „Beschluß“ des Bundesrats, der darüber gefaßt würde, 
kann nur die Bedeutung haben, daß andere Regierungen jener Aeußerung beigetreten sind. 
Sachlich legen wir dem ganzen Vorgange nur ein ganz geringes Gewicht bei; er interessirt 
uns nur wegen der Form der Beschlußfassung, die dabei unseres Wissens in dem Bundes- 
rate zum ersten Male vorgekommen ist. Es ist wichtig, die Unverbindlichkeit dieser Form 
festzustellen, damit nicht eine bei internationalen Verträgen übliche Praxis in die Reichs- 
gesetzgebung sich einschleiche. Bei internationalen Verträgen kümmert sich kein Teil darum, 
wie der andere Teil zu seinen Vollmachten kommt und sich zu seinen gesetzgebenden Faktoren 
stellt bezw. mit ihnen auseinandersetzt. Auf dem Gebiete der Gesetzgebung aber gibt es 
nur zweierlei: entweder es findet eine Verständigung unter allen gesetzgebenden Faktoren 
statt, oder es geschieht — nichts.“
	        
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