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Antrag der Zentrumspartei von der Majorität des Abgeordnetenhauses der
Form nach beseitigt war, so hatte doch die Partei die Genugthuung, daß „der
Inhalt und die Tendenz“ ihres Antrages durch den Beschluß der liberalen
Mehrheit volle Bestätigung gefunden hatten. Der Reichstag lehnte demnächst den
speziell aus der Initiative Bismarcks hervorgegangenen, schon im Bundesrat auf
Zweifel gestoßenen Gesetzentwurf kurzweg (ohne Kommissionsberatung) ab.
Am 2. Juli 1878 hatte Bismarck behufs vertraulicher Verständigung über
die Angelegenheit der deutschen Steuerreform die Finanzminister der Bundes-
staaten zu einer Besprechung eingeladen. Demgemäß fanden sich die Vertreter
sämtlicher deutscher Staaten (mit Ausnahme von Waldeck und Reuß ä. L.) am
5. August in Heidelberg zusammen. Die Konferenz, welche von dem Präsidenten
des Reichskanzler-Amts, Staatsminister Hofmann eröffnet und geleitet wurde,
hielt vier Sitzungen ab und wurde am 8. August, nachdem die volle Einigung
über ein Steuerreformprogramm erzielt war, geschlossen. Der Natur der Sache
nach fanden keine Detailberatungen über bestimmte Entwürfe von Steuergesetzen
statt, sondern es wurden nur die Gesichtspunkte festgestellt, welche für die weiteren
Schritte auf der Bahn der Steuerreform maßgebend sein sollen. Hierbei wurde
grundsätzlich daran festgehalten, daß behufs Verminderung der direkten Steuern
eine umfassende Entwicklung des Systems der indirekten Steuern durch das
Reich stattfinden müsse. Die Annahme, daß das Tabakmonopol auf der Konferenz
als die zu erstrebende Form der Tabakbesteuerung ins Auge gefaßt worden sei,
ist nicht richtig. In einem Zeitpunkt, in welchem die auf Grund eines Reichs-
gesetzes niedergesetzte Tabak-Enquctekommission ihre Arbeiten kaum erst begonnen
hatte, konnten die Regierungen sich selbstverständlich nicht für ein bestimmtes
System der Tabakbesteuerung aussprechen. Die Wahl eines solchen Systems
lag weder im Zweck der Konferenz, noch gehörte sie zu den Ergebnissen derselben.1)
Es war ein glücklicher Gedanke Bismarcks, die generelle Zustimmung zu
seiner Steuerreform sich durch die Finanzminister der Bundesstaaten votiren zu
lassen. Im Bundesrat wären die betreffenden Verhandlungen viel schwerfälliger
geworden.
Nachdem die „Provinzial-Correspondenz“ und die „Norddeutsche Allgemeine
Zeitung“ unablässig auf die Notwendigkeit einer Wendung in der Handelspolitik
hingewiesen hatten, beantragte Bismarck am 12. November 1878 beim Bundes-
rat behufs einer umfassenden Revision der deutschen Zollverhältnisse
die Niedersetzung einer besonderen Kommission. Am 15. Dezember 1879
richtete er von Friedrichsruh ein Schreiben an den Bundesrat, worin er sein
wirtschaftliches Programm mit einer Klarheit, Bestimmtheit und Konsequenz
entwickelte, die den aus dem Freihandelslager kommenden Klagen über die
1) Bemerkungen über die Ministerkonferenz in Heidelberg in Angelegenheiten der
Steuerreform und Verzeichnis der Mitglieder s. „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 186 v. S. 8. 78.