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sind, nur die Stimmen derjenigen Bunbesstaaten gezählt werden, welchen die
Angelegenheit gemeinschaftlich ist. Es war demnach die Beteiligung des Ver-
treters der Hansestädte an der Tarifkommission nicht ein Ausfluß der Verfassung,
sondern ein Ergebnis der Rücksichtnahme, welche die Gesamtheit der Binnen-
staaten gegen Hamburg und Bremen ungeachtet der Zurückhaltung derselben von
dem gemeinsamen deutschen Zollverein jederzeit genommen hatte.
Daß Bismarck im Bundesrat in so unglaublich kurzer Zeit einen schutz-
zöllnerischen Tarif durchbrachte, muß als einer seiner größten Erfolge betrachtet
werden, denn bis dahin war auch der Bundesrat in seiner überwiegenden
Mojorität freihändlerisch gesinnt. Aber wie im Volk und später im Parlament,
so ging eben auch im Bundesrat eine Wandlung in der Anschauung vor sich;
auch im Schoße dieser Körperschaft war es Bismarcks thatkräftigem Vorgehen
und Ansehen gelungen, die bisherige Herrschaft manchesterlicher Lesemeinungen
zu brechen und damit der unbefangenen Erwägung der wirklichen Volksbedürfnisse
freien Raum zu schaffen.
Schon kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des neuen Zolltarifs zeigte es
sich, daß die im Laufe der Beratungen desselben von dem Kanzler niedergelegten
Auffassungen wohlbegründet waren. Wie sehr sich die Freihändler verrechnet
hatten, das bewiesen die in den Herbst 1879 fallenden Wahlen für das
preußische Abgeordnetenhaus. Das Ergebnis war der vollständige Sieg Bis-
marcks auf der ganzen Linie und die Erkenntnis, daß mit der Eugen Richterschen
Parole „Weg mit Bismarck“ bei dem deutschen Volke nun einmal nichts
anzufangen sei.
Nach dem Scheitern der Tabaksteuervorlage im Jahre 1878 hatten
die Untersuchungen der eingesetzten Enqustekommission dahin geführt, daß nur
die Wahl zwischen dem Monopol und der Rohtabaksteuer übrig bleibe. Die
verbündeten Regierungen entschieden sich für die Rohtabaksteuer, vornehmlich
weil das Monopol auf längere Zeit hinaus nur geringe und ungenügende
Erträge liefern würde. Die Vorlage des Kanzlers beantragte als Eingangszoll
120 Mark auf 100 Kilogramm und eine Steuer von 80 Mark auf den
inländischen Tabak; in der Kommission des Reichstags hatte sich die Mehrheit
nur zur Bewilligung von 85 und 45 Mark verstanden. Die Regierung hatte
ferner eine Lizenzsteuer für den Handel mit Tabak sowie die Nachbesteuerung
für den in letzter Zeit in Menge angehäuften Tabak beantragt. Diese beiden
Forderungen waren in der Kommission abgelehnt worden. Der Reichstag schloß
sich den Anträgen der Kommission in allen Beziehungen an und genehmigte mit
diesen Veränderungen den Gesetzentwurf.
Weniger glücklich war Bismarck mit der von ihm vorgeschlagenen Brau-
steuervorlage, welche nicht bloß auf finanziellen Gründen basirte, sondern
auch einen Schritt auf dem in der Verfassung bezeichneten Wege zur Gemeinschaft
der Bier= und Branntweinsteuer in ganz Deutschland darstellte. Der Reichstag