Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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glaubte bereits mit der Bewilligung der im Zolltarif enthaltenen Finanzzölle 
und der Tabaksteuer ein übriges gethan zu haben und ließ die Brausteuer— 
vorlage unerledigt. 
Um die Mißwirtschaft zu beseitigen, die durch die Differenzialtarife der 
Eisenbahnen hervorgerufen waren, beabsichtigte Bismarck: 
1. das gesamte Eisenbahntarifwesen nach möglichst gleichartigen Grundsätzen 
gemeinsam zu ordnen, 
2. die im Interesse des Verkehrs unentbehrliche Klarheit und Uebersichtlichkeit 
in der Tarifirung zu schaffen und zu sichern, 
3. gesetzlichen Schutz dafür zu gewähren, daß die deutschen Eisenbahnen 
in erster Linie nicht fremdländischen Verkehrsinteressen dienstbar werden, sondern 
ihrer Bestimmung bei der Anlage entsprechend, vorzugsweise dem deutschen 
Verkehr, der deutschen Produktion und dem Absatz der Erzeugnisse der letzteren 
förderlich werden (Antrag an den Bundesrat vom Februar 1879). 
Es ist zu bedauern, daß dieser legislatorische Ansatz vollständig im Sande 
verlief. Nicht das im Gesetzentwurf verfolgte Ziel, dessen Berechtigung nicht 
wohl anzufechten war, sondern die besorgte mögliche Rückwirkung auf die 
Finanzen der mit großen Staatsbahnkomplexen ausgestatteten Mittelstaaten bei 
gänzlicher Entäußerung der Tarifautonomie zu Gunsten des Reichs bildete den 
Stein des Anstoßes. So wurde denn der schwerwiegende Präsidialantrag still 
zu Grabe getragen; die darin niedergelegten Ideen blieben darum aber doch 
wahr, und es wird die Zeit kommen, wo auch dieses Projekt des Kanzlers aus 
dem Archiv des Bundesrats hervorgeholt werden und praktische Gestalt in Form 
eines Gesetzes erlangen wird. 
Denselben Weg „ins Archiv“ wanderte ein von Bismarck dem Bundesrat 
vorgelegter Entwurf zu einem Reichsgesetz über das Eisenbahnwesen. 
Beim Beginn der zweiten Session der vierten Legislaturperiode des Reichs- 
tags war von elsaß-lothringischen Abgeordneten der Antrag gestellt worden, daß 
Elsaß-Lothringen eine selbständige, im Lande befindliche Regierung erhalte. Der 
Reichskanzler Fürst Bismarck hatte diesem Antrag gegenüber in einer bedeut- 
samen Rede seine Bereitwilligkeit erklärt, „den Reichslanden das höchste Maß 
von Selbständigkeit zu gewähren, das mit der militärischen Sicherheit des Reichs 
auf jener Seite verträglich sei“. In Erfüllung dieser Zusage legte Bismarck 
im Mai 1879 einen Gesetzentwurf vor, der die staatliche Form, welche das 
Reichsland bei der Einverleibung erhalten hatte, und das darin gegründete 
Verhältnis zum Reich im wesentlichen unverändert ließ; er schlug dagegen 
wesentliche Aenderungen vor in der Einrichtung und Gliederung der Landes- 
verwaltung, in der Gestaltung der bisherigen Landesvertretung und deren Teil- 
nahme an der gesetzgebenden Gewalt sowie in der Vertretung der reichsländischen 
Interessen im Bundesrat. 
Der beste Beweis dafür, daß Bismarck mit seiner Vorlage den richtigen
	        
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