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tionen auf dem Gebiete der Bundesratsverhandlungen blieben nach wie vor
auf der Tagesordnung.
Zum ersten und letzten Male seit dem Bestehen des Bundesrats führte Bis-
marck in dieser Session den Vorsitz in Ausschußsitzungen. Es handelte sich
um die Beratung des Anschlusses Altonas an den Zollverein in der Sitzung
der Ausschüsse für Zoll= und Steuerwesen und für Handel und Verkehr am
5. und 19. Mai 1880. 1)
Fürst Bismarck soll einmal — im Jahre 1877 — gesagt haben: „Ich
habe nie einen Demissionsgedanken gehabt, zu dem nicht Lasker den ersten An-
laß gegeben hätte.“ Den Reigen der Konflikte mit diesem Abgeordneten er-
öffnete die Kampagne der ersten Reichstagssession nach dem Kriege. Zur förm-
lichen Einreichung eines Entlassungsgesuches kam es alsdann im Jahre 1874,
als die Verhaftung des Abgeordneten Majunke durch das Berliner Stadtgericht
behufs Verbüßung einer rechtskräftig gewordenen Strafe dem Abgeordneten
Lasker Veranlassung gab, dieses Verfahren als im Widerspruche mit der
Verfassung zu kennzeichnen. Daran reihte sich die Kanzlerkrise vom Frühjahr
1877, die größte und ernsteste. Jetzt waren die Krisen plötzlich umge-
sprungen. Sie kamen aus dem Bundesrate. Man konnte versucht
sein, zu glauben, daß dort Geister zu rumoren anfingen, die im Reichstage
aufgehört hatten, eine Rolle zu spielen. Denn am 6. April 1880 abends
brachte die „Nordd. Allg. Ztg.“ zu großer Ueberraschung der Leser die
Mitteilung, Fürst Bismarck habe sein Entlassungsgesuch beim Kaiser ein-
gereicht aus Anlaß der drei Tage vorher erfolgten Verwerfung des Quit-
tungsstempels im Bundesrat. Eine Verstimmung des Reichskanzlers gegen den
Bundesrat war übrigens älteren Datums, und die durch Substitutionen erfolgte
Majorisirung Preußens, Bayerns, Sachsens, zumeist aber der Umstand, daß
der Vertreter des Reichs-Postamts und des Reichsschatzamts gegeneinander be-
züglich der Steuerfreiheit für Postscheine sprachen, kamen nur hinzu, um dem
Faß den Boden auszustoßen.
Mit besonderer Lebhaftigkeit gab fast die gesamte deutsche Presse ihrer
Ueberraschung, zugleich aber der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Entlassung
1) Nicht ganz verständlich ist folgende Notiz in der „Vossischen Zeitung“ Nr. 99 v.
7. 4. 79: „Es ist schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Offiziösen
jetzt die vom Fürsten Bismarck an den Bundesrat gebrachten Vorlagen „Präsidialanträge
zu neunen belieben. Auch die „Kölnische Zeitung“ schreibt jetzt: „Eine bedeutungsvolle Um-
wandlung scheint sich in der Organisation der höchsten Reichsverwaltung insofern zu voll-
ziehen, als der Reichskanzler die Stellung der Präsidialmacht nicht mehr als eine von der
preußischen Stimmführung untrennbare ansieht und das Recht beansprucht, bei der Vor-
bereitung von Gesetzentwürfen selbständig vertreten zu sein, während bisher die Bundes-
ratsausschüsse nur die Einzelstaaten repräsentirten.“ "