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In Erwiderung auf die Kritik, welche seine Skizze bei den Abgeordneten
gefunden hatte, bemerkte Bismarck in der Sitzung des Reichstags vom
27. März 1879: „Daß die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen ihre Vertretung
im Bundesrat finde, halte ich nicht für eine republikanische Einrichtung, sondern
im Gegenteil für einen genauen Ausdruck des wirklich stattfindenden Verhält-
nisses, indem dort die Vertreter der Bevölkerung sich — und es ist, glaube
ich, der einzige direkte Berührungspunkt mit dem wirklichen Souverän in seiner
Gesamtvertretung im Bunde — in unnmittelbarer Berührung finden, nicht
gleichberechtigt mit ihm, sondern, in Achtung des monarchischen Prinzips an
dieser Stelle, wo die Souveränität in ihrer korporativen Vertretung ihr Wort
zu sprechen hat, nur mit konsultativer Stimme, während sie ihren, immer
nicht republikanischen Ausdruck hier im Reichstag durch volles Votum findet.
Ich glaube, daß die Einrichtung und der Vorschlag die Charakterisirung
eines republikanischen nicht verdient hat und diese Andeutung sie nicht mit
Recht trifft.
Ich lege hauptsächlich aus zwei Gründen Wert auf die Beteiligung der
Bevölkerung am Bundesrat. Einmal ist es, wie mir die Herren aus den
Reichslanden wiederholt versichert haben, im ganzen Lande als eine, wie sie sich
französisch ausdrücken, question de dignité empfunden, also als eine der Im-
ponderabilien in der Politik, die oft viel mächtiger wirken als die Fragen des
materiellen und direkten Interesses, und die man nicht mißachten soll in ihrer
Bedeutung. Ich glaube aber nicht, daß bloß die Form beteiligt ist, ich halte
es im Gegenteil nach der jetzigen Zusammensetzung des Bundesrats für einen
Mangel, daß die Vertretung des Reichslandes in Bezug auf die allgemeine
Reichsgesetzgebung, ganz unabhängig von der Landesgesetzgebung von Elsaß=
Lothringen, lediglich durch die zentralen Reichsbehörden stattsinde, die doch das
eigentliche Landesinteresse bis in seine lokale Verzweigung hinein nicht mit der
Kenntnis vertreten können, wie es in den übrigen Bundesländern durch deren
Landesministerien, die im Lande wohnen, der Fall ist. Ich erinnere bloß an
die uns bevorstehenden Verhandlungen über die Zolltarifgesetzgebung. Da wäre
es sehr erwünscht, auch eine Stimme des elsässer Landes — mit wenigen
Ausnahmen des industriereichsten, das wir im Reiche haben — schon im
Stadium des Bundesrats hören zu können und nicht ausschließlich auf die
Eindrücke der Reichszentralbeamten in dieser Beziehung beschränkt zu sein.
Jedenfalls wird das Land dort ein sehr wichtiges Recht in seiner Beteiligung
an der gesamten Reichsgesetzgebung, wie sie in Artikel 4 der Verfassung auf-
gezählt ist, zu üben berufen sein.
Ich unterschätze durchaus nicht die Bedeutung, die der Herr Abgeordnete
Windthorst dem konsultativen Votum beilegte. Ich glaube, daß ohne wirkliches
Abstimmungsrecht ein konsultatives Votum sich durch das Gewicht seiner Gründe,
durch die Bedeutung und das Ansehen dessen, der es ausspricht, sehr wohl im