Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Ueberwuchern von Wahl- und Popularitätsrücksichten im Schoße der Regierung 
wie in der Volksvertretung hält, streng an den Grundsätzen solider Finanzwirtschaft 
festzuhalten, wird Herrn v. Scholz die Konsequenz und Energie, mit welcher er 
die preußische Finanzpolitik wieder in die richtigen Bahnen lenkte, hoch anrechnen.“ 
Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirklicher Geheimer Rat 
Dr. v. Schelling!) 
(geboren 19. April 1824) 
war während seiner neunjährigen Thätigkeit im Reichs-Justizamt in sehr regem 
dienstlichem Verkehr mit Bismarck. Schelling wurde von dem Kanzler öfter 
mit der Erstattung von Gutachten über wichtige staatsrechtliche Fragen beauf— 
tragt. Die Ergebnisse, zu denen Schelling gelangte, hatten sich fast regelmäßig 
der Zustimmung Bismarcks zu erfreuen.?) 
Nach außen hin trat Schellings Thätigkeit in verschiedenen, im Reichs- 
Justizamt entworfenen und im Reichstag verabschiedeten Gesetzen zu Tage. 
Hervorzuheben ist besonders die stark umstrittene Reform des Aktienrechts sowie 
die Umbildung des Genossenschaftswesens, welch letztere insofern von ein- 
greifender Bedeutung war, als durch die im Entwurf vorgesehene und vom 
Reichstag adoptirte Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haft- 
pflicht eine sehr gedeihliche Entwicklung der Genossenschaften, namentlich der 
ländlichen, ermöglicht worden ist.) 
Mitte Juni 1880 wurde Schelling auf Bismarcks Vorschlag vom Kaiser 
nach Maßgabe des Gesetzes vom 17. März 1878 (Neichs-Gesetzbl. S. 7) mit 
der Stellvertretung des Reichskanzlers im Bereich der Justizverwaltung, soweit 
sich dieselbe in der eigenen und unmittelbaren Verwaltung des Reichs befindet, 
beauftragt. (Reichsanzeiger Nr. 142 vom 19. Juni 1880.)4) 
  
1) Derselbe war längere Zeit Staatsanwalt beim Kreisgericht in Hechingen, später 
beim Kammergericht, dann seit 1861 beim Stadtgericht in Berlin. Von 1866 bis 1874 
gehörte er als vortragender Rat dem preußischen Justizministerium an und war im Neben- 
amt Mitglied der Justizprüfungskommission. Dann wurde er Präsident des Appellations= 
gerichts zu Halberstadt, bald darauf Vizepräsident des Obertribunals, 1876 als Nachfolger 
Friedbergs Unterstaatssekretär im preußischen Justizministerium, 1879, wiederum als Nach- 
folger Friedbergs, Chef des Reichs-Justizamts, endlich am 31. Januar 1889, abermals ale 
Nachfolger Friedbergs, Justizminister bis 1894. 
2) Am 4. Februar 1882 Schelling mit dem Präsidenten des Reichsgerichts Dr. Simson 
und Ober-Reichsanwalt Dr. Frhr. v. Seckendorff zu Tisch bei Bismarck. 
3) Ein Erlaß des Reichskanzlers (In Vertr. v. Schelling), d. d. 16. August 1886, 
betreffend die Auslegung von § 4 Abs. 2 des Patentgesetzes vom 25. Mai 1877 (Reichs- 
Gesetzbl. S. 501), findet sich in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 384 v. 19. 8. 86. 
4) In Kohls Bismarck-Regesten ist dieses Datum übersehen. Eine von Schelling in 
Vertretung des Reichskanzlers gegengezeichnete Kaiserliche Verordnung vom 29. Dez. 1883, 
betreffend die Gebührenfreiheit in dem Verfahren vor dem Reichsgericht, findet sich abgedruckt 
im „Reichs-Gesetzbl.“ 1884 S. 1.
	        
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