Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat in der 
Reichskanzlei v. Tiedemann) 
(geboren 24. September 1836). 
Die erste Bekanntschaft Tiedemanns mit dem Fürsten Bismarck datirt vom 
18. Januar 1875. Tiedemann, damals Landrat des Kreises Mettmann (Rhein— 
provinz), erhielt an dem Tage eine Einladung zu Bismarck auf 9 Uhr abends.?) 
Fürst Bismarck nahm ihn in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter in 
Anspruch, um seine Ansicht über die für die Rheinprovinz geplante Kreisordnung 
zu hören. An diese Unterredung knüpften sich mehrfache Einladungen zu Tisch. 
Ein Jahr darauf bekam Tiedemann von dem Geheimen Legationsrat Lothar 
Bucher eine Mitteilung, daß ihn der Reichskanzler wiederum zu sprechen wünsche, 
und da erfuhr er nun, daß er für eine Hülfsarbeiterstelle im Staatsministerium 
ausersehen sei. Die Sache wurde damals geordnet, und als kurze Zeit darauf 
Tiedemann Gelegenheit hatte, mit dem Minister Grafen zu Eulenburg I. über seine 
neue Stellung zu sprechen, gab ihm dieser den freundschaftlichen Rat, dem Fürsten 
nie sofort zu widersprechen. Der Fürst könne in einem solchen Falle so nieder- 
schmetternde Gründe für seine eigenen Ansichten ins Feld führen, daß Ein- 
wendungen irgend welcher Art zwecklos wären. Das beste wäre, abzuwarten 
und später auf die Sache zurückzukommen. Diesem Wink entsprechend hat dann 
auch Herr v. Tiedemann stets gehandelt, und später war er dem Grafen 
Eulenburg für den Rat außerordentlich dankbar. — In demselben Jahre wurde 
Tiedemann nach Varzin berufen, und auf der Reise dorthin hatte er auch Ge- 
legenheit, den heutigen Reichskanzler Fürsten Hohenlohe kennen zu lernen. — 
In diese Zeit fällt auch die Ernennung Tiedemanns zum stellvertretenden Unter- 
staatssekretär im Staatsministerium, eine Stelle, die er über ein Jahr ein- 
genommen hat, und in welcher er auch zweimal Gelegenheit hatte, im Kronrat 
unter dem Vorsitz des Kaisers Wilhelm I. zu protokolliren. 
Der Fürst stellte an seine Mitarbeiter und Untergebenen die denkbar 
höchsten Anforderungen, wofür ein prägnantes Beispiel: Der Reichskanzler 
fragte eines Tages seinen vortragenden Rat, ob er über die eigentümlichen 
1) Christoph Willers v. Tiedemann wurde 1862 Rechtsanwalt zu Segeberg (Holstein), 
1864 Landvogt und Deichgraf der Landschaft Stapelholm, 1865 Polizeimeister zu Flensburg, 
1870 Dezernent in der Regierungsabteilung des Berliner Polizeipräsidiums, März 1872 
kommissarisch, Januar 1873 definitiv Landrat des Kreises Mettmann, Februar 1876 vom 
Fürsten Bismarck als Hülfsarbeiter in das preußische Staatsministerium berufen, August 1876 
Geheimer Regierungs= und vortragender Rat daselbst, Mai 1878 vortragender Rat in der 
neu gebildeten Reichskanzlei (Zentralbureau des Reichskanzlers), Dezember 1879 zum Ge- 
heimen Ober-Regierungsrat, März 1880 zum Mitglied des Bundesrats, September 1881 
zum Präsidenten der Regierung zu Bromberg ernannt. 1879 war er Mitglied der Zolltarif- 
Kommission und vertrat die aus derselben hervorgegangene Vorlage als Kommissar des 
Bundesrats im Reichstag. 
2) In Kohls Bismarck-Regesten nachzutragen. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 10
	        
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