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Rechtsverhältnisse des „Wolffschen Telegraphenbureaus“ Bescheid wisse. Der
Gefragte mußte bekennen, daß er davon nicht die leiseste Ahnung hätte. „Dann
bitte, informiren Sie sich, und legen Sie mir eine kurze Denkschrift über die
Sache vor. Die Sache hat übrigens keine Eile,“ fügte der Fürst hinzu;
„morgen mittag kommt sie noch zeitig genug.“ Des Fürsten Verlangen, der
von seiner riesigen Arbeitskraft auf die anderer schloß, wurde unter Zuhülfenahme
der Nacht erfüllt.
Als im Jahre 1877 im Herrenhause eine Interpellation über die Ver—
wendung des Welfenfonds angekündigt wurde, hatte Fürst Bismarck anfangs
die Absicht, sie persönlich zu beantworten. Er wolle frei von der Leber weg
reden, erklärte er in der vorhergehenden Sitzung des Staatsministeriums, und
legte dem Justizminister Leonhardt eine Reihe von Kraftausdrücken, die er zu
gebrauchen gedenke, zur Begutachtung vor mit der Frage, ob das wohl Injurien
wären. Leonhardt mußte bejahen. Der Fürst wurde ärgerlich und erklärte,
dann wolle er lieber gar nicht antworten. Zunächst wurde Camphausen damit
beauftragt, dann der vortragende Rat v. Tiedemann, und zwar erst in der
Nacht vor der Sitzung, der sich seiner Aufgabe im Herrenhause besser entledigte,
als er selber geglaubt hatte. Bismarck drückte darauf Tiedemann dankend die
Hand — eine der wenigen Anerkennungen, die er sich rühmen durfte, von dem
in dieser Hinsicht sehr sparsamen Kanzler erhalten zu haben.
In der neuen Reichskanzlei, zu deren Chef Tiedemann ernannt wurde,
ging es mit großer Präzision her. Bismarck war damals für gewöhnliche
Sterbliche sehr schwer zugänglich. Selbst die Minister mußten, falls sie nicht
vorher beizeiten angemeldet waren, oft stundenlang in der Kanzlei warten.
Eines Tages fährt der König von Sachsen vor, um beim Fürsten vorzusprechen.
Dem Portier wird begreiflich gemacht, daß der König zum Fürsten wolle; der
biedere Mann fragt jedoch zunächst, ob der Besuch vorher angemeldet sei, und
replizirt, nachdem das verneint, kurz entschlossen, daß er den König dann nicht
melden könne. Der König mußte fortfahren. Die Sache kam dem Fürsten
glücklicherweise gleich darauf zu Ohren, so daß er in der Lage war, seinen Sohn
Herbert zum König zu senden und um Entschuldigung des Mißverständnisses
zu bitten.
Unpünktlichkeit konnte der Fürst nicht vertragen. Einmal ließ ein deutscher
Großherzog den Fürsten um eine Unterredung ersuchen. Der Fürst antwortete,
es werde ihm eine hohe Ehre sein, den Besuch um 9 Uhr abends zu empfangen.
Als die neunte Stunde nahte, entledigte sich der Fürst, während ihm Vortrag
gehalten wurde, seiner Interimsuniform und ließ sich einen Waffenrock mit dem
entsprechenden Großkreuz anlegen. Es wurde 9¼ Uhr und die Königliche
Hoheit war noch nicht da. „Bringen Sie mir meinen Interimsrock wieder
und hängen Sie diesen da wieder weg,“ sagte der Fürst zu seinem Diener
und nahm am Arbeitstische Platz. Gleich darauf erschien der Großherzog;