Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Hause sein konnte; er war zu Hause nur Gast, und seine Gattin machte sich 
sogar einmal den Scherz, ihn formell zum Thee einzuladen. Das Scheiden 
aus der Nähe des Fürsten fiel Herrn v. Tiedemann schwer aufs Herz, und auch 
der Fürst bedauerte, sich von seinem Mitarbeiter und Vertrauten trennen zu müssen. 
Auf dem Kommerse, der im April 1896 in Bromberg zu Ehren des Fürsten 
Bismarck abgehalten wurde, teilte der Regierungspräsident v. Tiedemann einen 
bisher noch nicht veröffentlichten Brief Bismarcks mit, den dieser am 24. De— 
zember 1864 an König Wilhelm I. geschrieben hat. Mit dem Briefe hat es 
folgende Bewandtnis: Der König schenkte Bismarck zum Weihnachtsabend einen 
Spazierstock. Bismarck setzte sich unmittelbar nach Empfang des Geschenkes 
nieder, um dem König in einem Schreiben seinen Dank auszusprechen. Als er 
den Brief noch einmal durchlas, sah er, daß ein Wort doppelt geschrieben war. 
Er entschloß sich, den Brief noch einmal abzuschreiben. Dies geschah, und der 
ursprüngliche Brief wurde beiseite gelegt. Dieser Brief, der Herrn v. Tiedemann 
im Jahre 1878 beim Sichten von Manuskripten auf seine Bitte vom Fürsten 
überlassen wurde, lautet: 
Berlin, 24. Dezember 1864. 
„Ew. Majestät sage ich meinen ehrfurchtsvollen und wärmsten Dank dafür, 
daß Allerhöchstdieselben meiner heute in Gnaden gedacht haben. Möge Gott mir 
so viel Kraft geben, als ich guten Willen habe, den Stab, dessen Symbol 
Ew. Mojestät mir als ein lebenslänglich teures Andenken heute schenken, nach 
Allerhöchst Ihrem Willen zum Heile unseres Vaterlandes zu führen. Ich habe 
das gläubige Vertrauen zu Gott, daß Ew. Majestät Stab im deutschen Lande 
blühen werde wie der Stecken Arons laut dem 4. Buch Mosis im 17. Kapitel, 
und daß er zur Not sich auch in die Schlange verwandeln werde, welche die 
übrigen Stäbe verschlingt, wie es im 7. Kapitel des 2. Buches erzählt. Ver- 
zeihen Ew. Majestät meinem dankbaren Gefühl diese Bezugnahme. Angesichts 
des Weihnachtsfestes habe ich das Bedürfnis, Ew. Moajestät zu versichern, daß 
meine Treue und mein Gehorsam gegen den Herrn, den Gott mir auf Erden 
gesetzt hat, auf derselben festen Grundlage beruhen wie mein Glaube. In 
tiefster Ehrfurcht und unwandelbarer Treue ersterbe ich Ew. Mojestät aller- 
unterthänigster v. Bismarck.“ 
Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements im Kriegs- 
ministerium, Generalmajor v. Verdy du Vernois!) 
(geboren 19. Juli 1832). 
Die Ernennung des Generals v. Verdy du Vernois zum Kriegsminister 
war für die Armee jedenfalls eine Ueberraschung, wahrscheinlich auch für 
den Fürsten Bismarck als Ministerpräsidenten. Verdy galt als ein theoretisch 
1) v. Verdy, in Fraustadt (Schlesien) geboren, wurde im Kadettencorps erzogen und 
trat 1850 aus demselben als Offizier in das 14. Infanterie-Regiment ein, dessen Chef er
	        
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