Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Handelswesens einschließlich der Handelspolitik, deren hohe Bedeutung für das 
Reich er nie verkannte, durfte er zunächst den ihm beigegebenen Männern um 
so ruhiger überlassen, als er von der hervorragenden Tüchtigkeit des von ihm 
erwählten Präsidenten des Reichskanzler-Amts, Staatsministers Dr. Delbrück 
voll überzeugt war. Erst Mitte der siebziger Jahre konnte er dazu gelangen, 
sich mit den letztbezeichneten Fragen, deren Detail ihm nach seiner gesamten 
Vergangenheit ferner lag, eingehender zu beschäftigen. Daß er dies dann auch 
sofort und mit der ihm eigenen Energie that, ist nicht nur der Ueberzeugung 
von deren Wichtigkeit, sondern auch der Erkenntnis zu danken, daß diese An- 
gelegenheiten zwar an sich in ausgezeichneter Weise, aber doch in einer mit den 
Auffassungen des Kanzlers im Widerspruch stehenden Richtung behandelt wurden. 
Delbrück ließ sich bei der Ausgestaltung des Zolltarifs, der Gewerbeordnung, 
der Handelsverträge, der Steuergesetzgebung und der Eisenbahntarife im all- 
gemeinen von den Grundsätzen eines weit fortgeschrittenen Freihandels leiten; 
bei dem Reichskanzler befestigte sich, je mehr er sich mit diesen Fragen selbst 
beschäftigte, um so stärker die Ueberzeugung, daß dieser Weg ein falscher sei, 
daß die nationale Arbeit auf denjenigen Schutz der Gesetzgebung Anspruch hätte, 
dessen sie zu gedeihlicher Wirksamkeit und Entwickelung auf allen Gebieten be- 
dürfe. Es wurde dem Begründer des Reichs gewiß sehr schwer, der Möglichkeit 
einer Trennung von seinem bewährtesten Mitarbeiter ins Auge zu sehen; nachdem 
er aber bei fortgesetztem Studium eine Umkehr auf dem bisher befolgten Wege 
als unabweisliche Voraussetzung für eine gesunde Entwickelung erkannt hatte, 
zauderte er nicht, auch mit dieser so schmerzlichen Eventualität zu rechnen. Die 
Aufgabe war eine gewaltige. Fast ohne Ausnahme waren nicht nur die auf 
jenen Gebieten wirkenden Staatsmänner und Beamten, sondern auch die in 
Wissenschaft und Erwerbsleben bedeutsameren Köpfe in Deutschland Anhänger 
des Freihandels. Das laissez faire, laissez aller war damals ein allgemeines 
Glaubensbekenntnis fast der gesamten Beamten= und Gelehrtenwelt geworden; 
wer es wagte, Bedenken dagegen zu erheben, wurde als Böotier verketzert oder 
gar eigennütziger Triebfedern bezichtigt. Nur ein Mann wie Bismarck konnte 
einsichtig, furchtlos, wehrhaft und thatkräftig genug sein, um allen Vorurteilen 
und Hindernissen zum Trotz die Fahne eines gemäßigten Schutzzolls zu entfalten, 
dem Gebot der Zweckmäßigkeit im einzelnen Falle den Sieg über theoretische 
Axiome auch auf dem Gebiete von Produktion und Handel zu sichern. Delbrück, 
treu seinen Grundsätzen, erkannte bald die Notwendigkeit, sich vom Reichskanzler 
trennen zu müssen. In dem bekannten Thüngenschen Briefe vom 15. Dezember 
1878 verkündete Bismarck die Umkehr auf dem bisherigen Wege der Zollpolitik. 
Um sein schwieriges Werk erfolgreich durchzuführen, bedurfte es sachkundiger 
Hülfe; in Burchard fand er sie. Derselbe war im Herbst 1876 als Regierungs- 
rat in das Reichskanzler-Amt berufen, und hier lenkte sich des Kanzlers Auf- 
merksamkeit, insbesondere anläßlich der Thätigkeit Burchards bei den schwebenden
	        
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