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den Vorsitz geführt hatte. Schmid war — den Gegenstand der Beratung
vermag ich nicht anzugeben — der Instruktion seiner Regierung gemäß der
Ansicht Bismarcks gegenübergetreten, worauf dieser, unangenehm berührt, ihn
mit finsterer Miene und scharfem Auge fixirte. Nach Schluß der Sitzung kam
Bismarck auf Schmid zu, klopfte ihm auf die Schulter und bemerkte: „Nichts
für ungut, Herr v. Schmid!“
Schmid stand als Referent an der Spitze der Opposition, welche sich bei
dem ersten Versuche, eine Quittungssteuer einzuführen, im Bundesrat geltend
machte und zuerst zur Ablehnung der Vorlage durch die Koalition der Vertreter
der kleineren Staaten führte. Die beiden Gesandten, mit denen er nach seiner
Uebersiedlung nach Berlin wirkte, warendie Herren v. Baur und Graf Zeppelin.
Bismarcks Größe erkannte Schmid auf allen Gebieten seiner Thätigkeit un-
umwunden an; über den jähen Abgang des großen Staatsmannes war er
geradezu bestürzt.
Auszug aus einem Briefe an seine Gemahlin, d. d. Berlin, 21. März 1871:
„Ich kam gestern glücklich mit meinen Stuttgarter Freunden in Berlin
an, und heute war die großartige Eröffnung des Deutschen Reichstags durch
den Kaiser in Gegenwart der Kaiserin, des Kronprinzen, sämtlicher Prinzen
und Prinzessinnen des preußischen Hauses. Graf Bismarck übergab dem Kaiser
die Thronrede, worauf sie Seine Majestät mit fester Stimme vorlas. Der
Kaiser ist ein Mann voll Majestät, Graf Bismarck aber steht wie ein Markstein
der Weltgeschichte da und überragt seine ganze Umgebung um fast eines Kopfes
Länge. Man kann sich keinen Begriff machen von dem fast wunderbaren Auge
dieses gewaltigen Mannes!
Die Pracht der Eröffnung des Reichstags war eine fabelhafte!
Wir hielten sofort heute noch Sitzung. Morgen wird der ganze Reichstag
dem Kaiser gratuliren!
Die Sitzungen dauern höchstens bis Ostern, so daß wir uns bald wieder-
sehen
Berlin ist eine sehr schöne Stadt, aber hier arbeitet alles, ganz anders
als zum Beispiel in Stuttgart und Wien .
4. Waden.
Finanzrat Scherer
(geboren 8. September 1842).
Gustav Scherer, geboren zu Freiburg i. B., katholisch, besuchte das Lyceum
und die Universität seiner Vaterstadt, trat 1865 in den Dienst der Großherzoglich
badischen Finanzverwaltung, wurde 1874 zum Mitgliede der Zolldirektion er-
nannt und gehört seit 1877 dem Finanzministerium als Kollegialmitglied an,