Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Darnach brachte der Fürst das Gespräch auf die neue Orthographie, gegen 
die, als eine ganz unnütze Beengung der individuellen Freiheit, er gewaltig zu 
Felde zog, zur großen Verlegenheit des anwesenden Ministers Hofmann, der 
die Unvorsichtigkeit gehabt hatte, von Reichskanzler-Amts wegen die neue Putt- 
kamersche Orthographie den Bundesregierungen zu empfehlen, ohne dem Reichs- 
kanzler darüber Vortrag erstattet und seine Genehmigung eingeholt zu haben. 
In seiner Auffassung von der individuellen Freiheit jedes einzelnen Deutschen 
in Betreff der Rechtschreibung ging der Fürst allerdings weit. Er erkannte 
namentlich auch gewisse Schreibarten innerhalb der Familien an, sprach die 
Voraussetzung aus, daß ich doch gewiß so schreiben würde, wie Herder geschrieben 
habe, und erzählte aus seiner Familie von der eigentümlichen Sprachbildung 
seines Vaters. Der habe für das Wort „jagen“ zweierlei Imperfekta gehabt: 
wenn er auf der Jagd gewesen sei, hatte er gesagt: „ich jagte“; wenn er aber 
recht scharf geritten sei, habe er gesagt: „ich jug“. Und das schien der Sohn 
als ganz berechtigt anzusehen. 
Am Tage nach dem Diner reiste ich nach Weimar zurück. Wenige Tage 
darauf erhielt ich ein offizielles Schreiben des Fürsten, mit welchem er mir 
vertraulich eine Abschrift des wichtigen Protokolls mitteilte, das von ihm und 
dem Grafen Andrassy im Vorjahre in Wien über das Zusammenhalten Deutsch- 
lands und Oesterreich-Ungarns, namentlich im Verhältnisse zu Rußland, auf- 
gesetzt und das von beiden Majestäten genehmigt worden war, um es meinem 
Großherzog mitzuteilen, der gegen den Kaiser Wilhelm den Wunsch ausgesprochen 
hatte, Kenntnis von seinem Inhalte zu erhalten. Der Großherzog war schon 
zu wiederholten Malen als Vermittler bei dem Kaiser Alexander im deutschen 
Interesse thätig gewesen, so namentlich im Winter 1870/71 von Verseilles 
aus, wo es galt, daß Rußland neutral blieb im deutsch-französischen Kriege. 
Kaum war ich einige Wochen wieder in Weimar gewesen, so führten mich 
die Geschäfte des Bundesrats wieder nach Berlin. Bei der Verhandlung des 
Bundesrats über den von der Reichsregierung vorgelegten Gesetzentwurf über 
Einführung einer Reichs-Stempelabgabe war in Betreff der Ouittungssteuer im 
Bundesrat eine Abstimmung erfolgt, die den Reichskanzler in große Aufregung 
versetzte. Preußen war überstimmt worden, und der Reichskanzler ergriff diese 
Gelegenheit, um die Schuld dieses Beschlusses auf eine gewisse Desorganisation 
des Bundesrats zu schieben und die Notwendigkeit darzulegen, eine Reihe von 
Aenderungen der Geschäftsordnung des Bundesrats und mit diesen namentlich 
auch den Plan in förmlichen Vorschlag zu bringen, den er nach jenem Diner 
angekündigt hatte. 
Ich hatte bei meiner Abreise nach Berlin vom Großherzog den Auftrag 
erhalten, dem Reichskanzler gelegentlich eine Mitteilung über die Korrespondenz 
mit dem Kaiser von Rußland zu machen. Da ich nicht wußte, ob ich diesmal 
in Berlin dem Reichskanzler begegnen würde, entledigte ich mich schriftlich meines
	        
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