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Auftrages. Wenige Stunden darauf erhielt ich die Einladung, ihn am näm—
lichen Tage nachmittags vier Uhr zu besuchen. 1)
Zur rechten Zeit im neuen Palais des Reichskanzlers angelangt, wurde-
ich in den Wartesaal im Erdgeschosse geführt, das in einer Flucht mit dem
Arbeitszimmer des Fürsten, nach dem Garten oder vielmehr Park hinaus, liegt.
Dieser Wartesaal ist ein großes Zimmer, eine Art Gartensalon, in welchem
sich ein Billard und zwei Stellagen mit einem reichen sogenannten Pfeifensystem
befinden, die mich an die Studentenzeit erinnerten. Die Pfeifenköpfe sämtlich
waren mit Jagdtierstücken — nicht eben künstlerisch — bemalt. Von da wurde
ich durch ein anstoßendes geräumiges Vorzimmer in das Arbeitszimmer des
Reichskanzlers geleitet.
Auch dieses ist ein großes, unmittelbar in den Garten führendes, mit
diesem in gleicher Ebene gelegenes Zimmer, in ihm ein großer, lang ausgedehnter
Arbeitstisch, an dessen einer, dem Garten zu liegender Seite der Reichskanzler
sitzt. Mir wurde, nachdem ich von ihm freundlich mit Handreichung und einem.
Vorwurf, daß ich im Frack erschienen sei, begrüßt worden war, ein Sessel ihm
gegenüber an der entgegengesetzten Seite des Tisches angewiesen; unter dem
Tische, zwischen uns beiden, mit der Schnauze nach mir zugekehrt, wie zur
schützenden Bewachung, lag der berühmte große Reichshund.
Der Fürst begann mit einer Bemerkung, die durch mein Schreiben von
demselben Tage veranlaßt worden war.
Nachdem dies Thema bald abgemacht war, ging der Kanzler zu dem über,
was wohl eigentlich der Hauptzweck seines Wunsches, mich zu sprechen, war.
Vor ihm lag ein Druckbogen, den er nun ungefähr mit folgenden Worten
ergriff: „Ich habe hier den Antrag, den ich in der morgenden Sitzung des
Bundesrats einbringen werde in Bezug auf eine Revision der Geschäftsordnung.“
Und nun begann er nicht nur den Antrag selbst — da ich sagen mußte, daß
ich noch nicht im Besitze desselben sei — in seinen Hauptzielen mir mitzuteilen,
sondern auch die Motive desselben näher zu entwickeln.
Er schilderte zunächst den Bundesrat, wie er sich ihn bei der Schöpfung
desselben gedacht habe, als die Vereinigung der einflußreichsten Staatsmänner
der einzelnen Bundesstaaten zur gemeinsamen Beratung der wichtigsten An-
gelegenheiten des Deutschen Reichs, und wie sich das nun allmälich ganz anders-
in der Wirklichkeit gestaltet habe: die Minister kämen fast gar nicht mehr,
sondern ließen ihre Ober-Zoll= und Finanzräte da, und in den Ausschüssen
führten die preußischen Ministerialräte das große Wort und dominirten. Das.
müsse anders werden, und zu diesem Zwecke kam er auf den, schon bei jenem
Diner angekündigten Vorschlag der Unterscheidung zwischen den wichtigen und
den unwichtigen Vorlagen für den Bundesrat und Reichstag zurück und die
1) In Kohls Bismarck-Regesten ist diese Zusammenkunft nicht erwähnt.