Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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zusammengefaßte Beratung der ersteren in den ersten drei Wochen der Bundes- 
ratsdiät, und zwar in der Regel ohne Ausschußberatung alsbald im Plenum 
in zwei Lesungen. Dadurch werde das Ansehen des Bundesrats wesentlich 
wieder gehoben, weil dann der Schwerpunkt der Beratungen aus den Aus- 
schüssen wieder in das Plenum des Bundesrats verlegt und dadurch mehr Leben in 
die Verhandlungen dieses letzteren gebracht würde; und zugleich würde ein Damm 
gegen den übergroßen Andrang von immer neuen Gesetzentwürfen gewonnen 
werden, der jetzt aus den preußischen Ministerien das Reich überschwemme. 
Wenn solch ein preußischer Ministerialrat einen Gesetzentwurf auf dem Herzen 
habe, lasse er seinem Chef so lange keine Ruhe, bis dieser ihn für ein Reichs- 
bedürfnis erkenne und an den Bundesrat bringe, in dessen Ausschüssen dann 
wieder die preußischen Ministerialräte ihn schützten und förderten. Gelangten 
diese Gesetzentwürfe aber vor allem und vor einer Ausschußberatung alsbald 
vor das Plenum der versammelten Minister aus allen deutschen Staaten, so 
würden sie eine schärfere und unbefangenere Kritik zu erleiden haben und manche 
von ihnen schon an der Schwelle fallen. „Ueberhaupt,“ fuhr er fort, „bin ich 
sehr für die Kräftigung des föderativen Elements. Wenn es nach meinen 
Wünschen gegangen wäre, bestände Hannover noch unannektirt. Aber mit dem 
König von Hannover war nicht auszukommen und zu leben; da blieb nichts 
übrig, als zur Annexion zu schreiten. Mit Kurhessen wäre auszukommen ge- 
wesen; da gab es einen modus vivendi, nämlich das Geld. Ich hatte das 
während der Bundestagszeit verschiedentlich mit Erfolg praktizirt. Der Weg 
war ganz einfach: das Geld ging an einen Bankier und durch diesen an eine 
Dame, die sich Prinzessin nannte. Es hat mir in keinem einzelnen Falle mehr 
als hunderttausend Thaler gekostet. Ueberhaupt glaube man doch ja nicht, daß ich 
an weitere Vergrößerung Preußens denke; die an mich gelangenden Anerbietungen 
dieser Art habe ich jederzeit abgelehnt und werde sie immer ablehnen. Die 
müssen aushalten. In der Erhaltung des Föderativstaates erblicke ich eine viel 
größere Widerstandsfähigkeit gegen das republikanische Andrängen, das sich im 
Reichstage wie in ganz Europa bemerkbar macht, als sie dem Einheitsstaate zu 
Gebote stehen würde, wo nur eine einzige Regierung, nicht eine Mehrheit von 
Regierungen, dem Reichstage gegenüber stehen würde."“ 
Nun ging der Reichskanzler über auf den andern Zweck des preußischen 
Antrags, die Abstellung des Mißbrauchs, der mit den Substitutionen getrieben 
worden, die allerdings manchmal ohne Kenntnis des ursprünglichen Vollmacht- 
gebers aus einer Hand in die andere weiter gewandert waren, und der etwas 
laxen Praxis in der Zulassung zur Teilnahme an den Beratungen des Plenums. 
Die verhängnisvolle Sitzung, in welcher ein preußischer Ober-Postbeamter die 
preußische Vorlage wegen der Quittungsstempelsteuer selbst bekämpft hatte, hatte 
dem Faß den Boden ausgetreten. Ich bemerkte, daß man gegenüber solch einer 
Haltung der eigenen preußischen Beamten nicht habe glauben können, daß der
	        
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