Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Der Reichskanzler war in diese Richtung bereits mit ganzer Kraft ein— 
gebogen. Nach einem Diner, das er uns gab, entwickelte er bereits bei 
Kaffee und Zigarre (er selbst mit der langen Pfeife) seine noch viel weiter 
gehenden Pläne in Betreff der Reichshilfe durch Uebernahme der ganzen 
Schul- und Armenversorgungslasten auf die Reichskasse, wozu wir die Köpfe 
bedenklich schüttelten, und wovon der Reichskanzler selbst auch zurückgekommen 
zu sein scheint. 
Unser damaliges Zusammensein in Berlin — so schließt Stichling seine 
Erinnerungen — fiel zugleich in die Zeit der Vermählung des Prinzen Wilhelm 
(Sohn des Kronprinzen) mit der Prinzessin Viktoria von Schleswig-Holstein. 
Wiederum waren es glänzende Feste am Kaiserlichen Hofe, zu denen auch wir 
geladen waren. Das reizendste davon aber war der Anblick der jugendlichen 
Gemahlin, die, ohne schön zu sein, doch mit einer Anmut und Jungfräulichkeit 
geschmückt war, die alle bezauberte. 
Zum letzten Male habe ich den Fürsten Bismarck am 1. April 1885 
gesprochen. Es war der Tag seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums, und ich 
war mit den übrigen Mitgliedern des Bundesrats im Palais des Reichskanzlers 
zu seiner Beglückwünschung erschienen. Am Nachmittag des folgenden Tages 
hatte ich ihm im Auftrage des Großherzogs die Brillanten zu dem ihm längst 
verliehenen Großkreuze des Falkenordens mit den wärmsten Glückwünschen des 
Großherzogs und der Frau Großherzogin zu überbringen. Damals war es 
— wir saßen allein in seinem nach dem Garten hinaus führenden Arbeits- 
zimmer —, wo er, als die Rede auf die Frau Großherzogin kam, bemerkte: 
„Ja, es wäre freilich besser gewesen, wenn die Regierungsnachfolge in den 
Niederlanden auf die weibliche statt auf die männliche Linie übergegangen 
wäre." 
Die großartigen Huldigungen, welche an jenem Jubiläumstage dem Fürsten 
Bismarck dargebracht wurden, wurden von manchem Höfling insofern beklagt, 
als sie gewissermaßen als geeignet gedeutet werden konnten, den Keiser selbst 
in Schatten zu stellen. An demselben Tage sollte es aber klar werden, daß 
der Kaiser in seiner großen Seele nicht so dachte und fühlte. Im Laufe des 
Jubiläumstags selbst nämlich wurden die von ihren Königlichen und Groß- 
herzoglichen Höfen nach Berlin entsandten Minister zum Kaiser zur Audienz 
befohlen. Als wir da zur bestimmten Stunde erschienen, trat der Kaiser an 
uns heran, sprach seine Freude über den festlichen Tag aus, trug uns auf, 
unseren gnädigsten Herren zu danken für ihre Teilnahme an demselben, und 
schloß mit den Worten: „Alle Ehren, die meinem Kanzler erwiesen werden, 
empfinde ich wie mir selbst erwiesen."
	        
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