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Wuchergesetz. Ende Februar 1880 legte der Reichskanzler dem Bundesrat
einen Gesetzentwurf, betreffend den Wucher, vor.1) Der Justizausschuß nahm
Art. 2 und 3 unverändert an, gab dagegen dem Art. 1 folgende Fassung:
Hinter den § 302 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich werden
die folgenden neuen 88 302 a, 302b, 302c, 302 d eingestellt: „§ 302a. Wer
unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines
anderen für ein Darlehen oder im Falle der Stundung einer Geldforderung
sich oder einem dritten Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, welche
den üblichen Zinsfuß dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen des
Falles die Vermögensvorteile in auffälligem Mißverhältnisse zu der Leistung
stehen, wird wegen Wuchers mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und zugleich
mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. — § 302b. Wer sich oder einem
dritten die wucherlichen Vermögensvorteile (§ 302a) verschleiert oder wechsel-
mäßig oder unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter
äahnlichen Versicherungen oder Beteuerungen versprechen läßt, wird mit Gefängnis
bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu sechstausend Mark be-
straft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. —
8§ 302. Dieselben Strafen treffen denjenigen, welcher mit Kenntnis des Sach-
verhalts eine Forderung der vorbezeichneten Art erwirbt und entweder dieselbe
weiter veräußert oder die wucherlichen Vermögensvorteile geltend macht. —
§ 302d. Wer den Wucher gewerbs= oder gewohnheitsmäßig betreibt, wird mit
weiser Vorsicht zu verfahren und vor gefährlichen Neuerungen sich zu hüten und wegen
der unermeßlichen Vorteile, welche, wie in der neueren Zeit zur Genüge erkannt ist, für
den Gesetzgeber aus der vergleichenden Rechtswissenschaft entspringen, auch das ausländische
Recht in größtem Umfange zu erforschen. Eine besondere Schwierigkeit knüpft sich noch an
die Reformen, welche auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts durch die Reichsjustizgesetze
und durch die in Ausführung oder aus Anlaß derselben ergangenen zahlreichen Landes-
gesetze hervorgerufen sind. Wenn die Entwürfe die angegebenen Schwierigkeiten über-
wunden haben, so ist das vorgerückte Ziel in der zu seiner Erreichung erforderlichen wesent-
lichen Vorbedingung erfüllt. Für die Beratungen der Hauptkommission ist alsdann eine
sichere Grundlage gewonnen zur Feststellung eines allen billigen Anforderungen genügenden
Hauptentwurfs. Daß aber die Teilentwürfe nebst Motiven wie angegeben gestaltet sein
werden, darf mit Zuverlässigkeit gehofft werden. Je gegründeter aber die Hoffnung ist,
um so erklärlicher erscheint die auf die Ausarbeitung der Teilentwürfe bisher verwendete
Zeit, und um so weniger wird darauf Gewicht gelegt werden können, daß ihre Vollendung
nicht so schleunig erfolgt ist, als vielleicht erwartet wurde. Mutmaßlich wird der Umstand,
daß ich seit dem 1. Oktober meinen Wohnsitz nach Berlin habe verlegen können, auf die
Beschleunigung der Arbeiten von günstigem Einfluß sein, indem ich mehr wie früher für
die Förderung der Arbeiten zu sorgen vermag."“
1) Wortlaut in der „Nat.-Ztg.“ Nr. 102 v. 1. 3. 80 und in der „Nordd. Allg. Ztg.“
Nr. 102 v. 1. 3. 80 und Nr. 104 v. 2. 3. 80 (Motive). Wortlaut nach den späteren
Beschlüssen des Bundesrats „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 127 v. 16. 3. 80 und „Nat.-Ztg.“
Nr. 127 v. 16. 3. 80.