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eingerichtet werden. Die Zusammensetzung derselben und die Verteilung der
Eeschäfte unter sie war dem Reichskanzler vorbehalten. Vorläufig erschien die
Errichtung zweier Hülfssenate ausreichend, und es wurde deshalb diese Zahl
zunächst ins Auge gefaßt. Im Auftrage des Kaisers legte daher der Stell-
vertreter des Reichskanzlers, Graf Stolberg, den Entwurf einer Keiserlichen
Verordnung, durch welche die Einrichtung von Hülfssenaten bei dem Reichs-
gericht nachgelassen werden sollte, dem Bundesrat zur Beschlußfassung vor.
In der Sitzung des Bundesrats vom 22. September 1879 wurde be-
schlossen, den sämtlichen Verordnungsentwürfen in Betreff der Uebertragung von
Rechtssachen der einzelnen Bundesstaaten auf das Reichsgericht die Zustimmung
zu erteilen. Es ist indes zu erwähnen, daß der sächsische Bevollmächtigte gegen
die Uebertragung hessischer Rechtssachen auf das Reichsgericht mit der Erklärung
stimmte, daß nach der Ansicht seiner Regierung der Fall des § 3 des Ein-
führungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz nicht vorliege, vielmehr die Zu-
ständigkeit des Reichsgerichts lediglich nach § 5 des Gesetzes zu beurteilen sei.
Der württembergische Bevollmächtigte fügte seiner Zustimmung die Erklärung
hinzu, es dürfe aus dem Umstande, daß für Württemberg nicht eine gleiche
Bestimmung durch Kaiserliche Verordnung getroffen sei, nicht gefolgert werden,
daß die Zuständigkeit des Reichsgerichts für Angelegenheiten des Landesherrn
und seiner Familie nicht reichsgesetzlich begründet sei. Dieser Erklärung wurde
von keiner Seite widersprochen.
b) Begründung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten. Mitte September 18794) legte der Reichskanzler dem Bundesrat den
Entwurf einer Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Begründung der Revision
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, vor. Die Motive zu dieser Vorlage besagten
im Eingange Folgendes: Als den Grund, welcher in dem Verfahren der Zivil-
prozeßordnung die Eröffnung einer dritten Instanz vor dem Reichsgericht er-
forderlich mache, bezeichnete die allgemeine Begründung der Zivilprozeßordnung
das Bedürfnis, die vorhandene Einheit des Rechts und der Rechtspflege zu
erhalten. Wo dieser Grund nicht zutrifft, sollte die dritte Instanz nicht mit
Erfolg in Anspruch genommen werden. Mit Rücksicht darauf bestimmt § 511
der Zivilprozeßordnung: „Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß
die Entscheidung auf der Verletzung eines Reichsgesetzes oder eines Gesetzes,
dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt,
beruhe.“ Bei dieser Bestimmung war man sich bewußt, daß einerseits nicht
alle Landesgesetze, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines einzelnen
Berufungsgerichts hinaus erstreckt, geeignet sein würden, der Beurteilung des
Reichsgerichts unterstellt zu werden, andererseits auch ein Landesgesetz, welches
nur im Bezirk eines einzigen Oberlandesgerichts gelte, einen allgemeinen Charakter
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.