Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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gehenden Erwägungen, zu Konstatirungen oder Abänderungen führte, ist in 
dem Bericht ausführlich dargelegt. 
In Bezug auf das im sechsten Abschnitt des Entwurfs entwickelte Disziplinar= 
Strafsystem trat nur wegen der körperlichen Züchtigung, welche nur gegen nicht- 
ehrberechtigte männliche Zuchthaussträflinge für zulässig erklärt wurde, eine 
prinzipielle Verschiedenheit der Ansichten hervor. Eine von mehreren Seiten 
vertretene Ansicht sprach sich gegen die fragliche Strafart überhaupt aus 
und beantragte die Streichung derselben. Es wurde ausgeführt, daß die Strafe 
für Gefängnisbeamte, die ihre Aufgabe richtig verstehen, entbehrlich sei; daß 
dies durch die Erfahrung in denjenigen Bundesstaaten, in denen, wie z. B. in 
Bayern und Württemberg, diese Strafe seit länger als einem Jahrzehnt auf- 
gehoben worden, bewiesen werde, daß die Strafe von der betreffenden Be- 
völkerung als eine schmachvolle betrachtet werde; daß ihre Wiedereinführung zu 
einer gewissen Mißstimmung Anlaß geben und auch den zunächst unbetroffenen 
Teil der Bevölkerung geneigt machen werde, den so gezüchtigten Sträfling ge- 
wissermaßen für sich zu revindiziren; daß die Frage, ob diese Strafe schädlich 
sei oder nicht, selbst vom Arzte nicht in allen Fällen mit Sicherheit beantwortet 
werden könne, und endlich, daß die Zulassung einer an sich so bedenklichen 
Strafe um so bedenklicher werde, da die Beschwerde gegen deren Verhängung 
nach § 41 des Entwurfs keine aufschiebende Wirkung habe, die Strafe also, 
auch wenn sie ungehörig verfügt worden, irreparabel sei. In ganz entgegen- 
gesetzter Richtung wurde von den Bevollmächtigten einiger anderer Staaten die 
Ausdehnung der Zulässigkeit dieser Strafart auf erwachsene männliche Sträf- 
linge aller Art, die zu Zuchthaus-, Gefängnis= oder zu Haftstrafen verurteilt 
sind, angestrebt. Zur Begründung dieser Ansicht wurde darauf Bezug genommen, 
daß bei dem im Strafgesetzbuch sanktionirten System, welches die Aberkennung 
der bürgerlichen Ehrenrechte fakultativ in die Hände des Richters lege, der Besitz 
oder Nichtbesitz dieser Ehrenrechte keineswegs in allen Fällen das zutreffende 
Kriterium für die einem Sträfling innewohnende ehrlose oder ehrliebende Ge- 
sinnung bilde; daß es überhaupt nicht der richtige Standpunkt sei, wenn man 
die Zulassung einer Disziplinarstrafe mit der der Auferlegung einer Kriminal- 
strafe zu Grunde liegenden Strafhaft in Beziehung bringe und dadurch der 
Disziplinarstrafe den Charakter einer Schärfung gewisser Kriminalstrafen beilege; 
daß vielmehr bei der hier aufgeworfenen Frage lediglich das die Ordnung und 
Disziplin der Strafanstalt verletzende Verhalten eines Sträflings und die 
Schwere dieser Ordnungsverletzung in Betracht kommen könne, und daß von 
diesem Standpunkte aus eine nach der Art der erkannten Freiheitsstrafen ver- 
schieden geregelte Disziplinarstrafgewalt — soweit deren Milderung nicht schon 
aus der gesetzlich geringer qualifizierten Natur der Freiheitsbeschränkung, wie 
bei der Haft und Festungshaft, von selbst folge — nicht gerechtfertigt erscheine. 
Es fehle daher an einem durchschlagenden Grunde, ehrberechtigten Zuchthaus-
	        
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